Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwischen Licht und Dunkel

Titel: Zwischen Licht und Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Spitzbart
Vom Netzwerk:
kalte Wasser. Ausstehende Unterlagen lassen sich notfalls nachreichen. Ich fing sofort kräftig an zu paddeln – was blieb mir anderes übrig – und hielt mich erstaunlich erfolgreich über Wasser. Ein gute Portion deutsche Präzisionsarbeit schadet bisweilen nicht. Als ich mir nach eineinhalb Jahren in der Küche recht passable Isländischkenntnisse angeeignet hatte, klopfte ich bei der Konferenzabteilung des gleichen Hotels an. Und siehe da, es gab eine freie Position im Serviceteam für mich. Ich hatte damit „mein“ Arbeitsplätzchen gefunden. Vielleicht auch deshalb, weil ich mir nicht zu gut dafür gewesen war, „unten“ einzusteigen.
    Ganz allgemein würde ich das Unterfangen Jobsuche auf Island so beschreiben: Wer Arbeit sucht und dabei zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort auftaucht, bekommt seine Chance. Wenn der Einstieg erst einmal geschafft ist, lässt sich mit Motivation und Initiative aus ihr durchaus etwas machen. So arbeitete sich eine isländische Kollegin buchstäblich von der Tellerwäscherin in die Buchungsabteilung hoch. Und meine Chefin brachte es ohne spezielle fachliche Ausbildung innerhalb eines guten Jahrzehnts vom Aushilfs-Portier zur hervorragenden Konferenz-Managerin. Nun gut, die Zeiten sind vorbei, in der Arbeitgeber händeringend nach Arbeitskräften riefen und quasi jeder vom Fleck weg angestellt wurde. Außerdem ist es inzwischen einige Jahre her, dass ich persönlich mich nach einem Plätzchen auf dem Arbeitsmarkt umschauen musste. Aber ich glaube nicht, dass diese isländische Haltung des Chance-Gebens vom Aussterben bedroht ist.
    Dass eine solche Einstellung nach der Methode „Friss-oder-stirb“ auch gründlich in die Hose gehen kann, ist die andere Seite der Medaille. Wenn zum Beispiel ein neuer Verkäufer mit fachfremder Qualifikation ohne Einarbeitung vom ersten Tag an vor dem Kunden steht und von der Ware, die er verkaufen soll, (noch) keine Ahnung hat, macht es sich nicht wirklich gut. Genauso wenig wie die kurz angebundene Antwort der Wollverkäuferin, die ich um Assistenz bat: „So etwas darfst du mich nicht fragen, ich stricke nämlich nicht selbst.“
    Von einem typisch isländischen Einstellungsverfahren kann auch eine befreundete deutsche Innenarchitektin ihr Liedchen singen: Während eines Au-Pair-Jahres hatte sie „ihren“ Isländer kennengelernt. Trotzdem ließ sie sich von dem bevorstehenden Studium in Deutschland nicht abbringen. Nach erfolgtem Abschluss und fünf Jahren Fernbeziehung wollte sie es dann noch einmal mit der windigen Insel im Atlantik versuchen. Von Deutschland aus machte sie sich auf Arbeitssuche. Zum Einstieg sollte es ein Sommerjob sein. Mit einem lockeren Email an ein passendes Innendesign-Geschäft wollte sie eigentlich nur abklären, ob eine Bewerbung überhaupt Sinn machte. Doch eine knappe Stunde später erhielt sie den Anruf, der ihre Zukunft besiegeln sollte: „Hier X von der Firma Y. Sprichst du isländisch?“ „Ja.“ „Du suchst Arbeit?“ „Ja schon … einen Sommerjob.“ „Kannst du nicht gleich ein Jahr bleiben? Wir suchen nämlich eine neue Innenarchitektin. Du bist doch eine, oder?“ „Ja, aber soll ich nicht eine richtige Bewerbung schicken, mit Diplomzeugnis?“ Anstelle einer Antwort auf die Frage folgte eine kurze Jobbeschreibung. „Sollen wir dann sagen, dass du angestellt bist?“ „In Ordnung, prima!“ „Also dann bis in zwei Wochen!“ Aus den geplanten zwei Monaten wurden inzwischen fünf Jahre.
    Um noch einmal auf meine eigenen Erfahrungen in Sachen „Arbeiten auf Island“ zurückzukommen … Was mich daran auch sehr überraschte, war die locker-leichte Arbeitsatmosphäre, die mir vom ersten Tag meines isländischen Berufslebens an entgegen wehte. Ich will sie sogar als freundschaftlich beschreiben in einem Maße, das mir bislang unbekannt war. Ganz klar: Wo man viel Zeit verbringt, schadet ein hoher Wohlfühlfaktor nicht. Tatsächlich wird großer Wert auf den sozialen Aspekt gelegt. Der Arbeitsplatz als Sozialtreffpunkt? Man könnte es manchmal glauben.
    Zeit für das eine oder andere private Schwätzchen sollte sich eigentlich an jedem Arbeitsplatz finden. Aber mir mutete es trotzdem immer etwas befremdlich an, wenn sich regelmäßig alle um den Chefsessel scharten, um Folge 711 der Seifenoper XY vom Vorabend breit zu treten. Oder das frisch ins Internet gestellte 3D-Video des ungeborenen Enkels zu bewundern. Auch die eine oder andere private Erledigung lässt sich bestimmt in die

Weitere Kostenlose Bücher