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Zwischen Licht und Dunkel

Titel: Zwischen Licht und Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Spitzbart
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nicht mehr so rosig aus. Eine diesbezügliche Untersuchung förderte zutage, dass 60 % aller Befragten im Zuge der kreppa in letzter Zeit auf Reisen ins Ausland verzichtet hätten. Verkehrte Islandwelt! Denn vorher hatte die Sache ganz anderes ausgesehen: „Große Koffer beinahe ausverkauft!“ vermeldeten Reykjavíks Geschäftsleute im November 2007. Eine Beinahe-Katastrophe so kurz vor Weihnachten, einer Jahreszeit, in der sich der Isländer „früher“ dem „Power-Shopping“ verschrieben hatte. Der Trick dabei war folgender: Man fuhr mit riesigen, jedoch fast leeren Koffern ins Ausland und sparte sich den verfügbaren Platz für die bevorstehenden Einkäufe auf. Da hieß es aufgepasst, ihr Einkaufszentren der Welt. London, Glasgow, Boston und Minneapolis … Macht euch auf Scharen von einkaufswütigen Isländern gefasst! Erlaubt ist alles, was das Herz begehrt, besonders Kleidung. Dank des Ausland-Spareffektes sprangen insbesondere für denjenigen, der kräftig zuschlug, die Flug- und Hotelkosten heraus. Selbst eine 100 US-Dollar teure Taxifahrt zum Outlet-Shoppingcenter in den USA sollte sich rechnen. Wer seine Kinder dabei hatte, nahm diesen extra Kostenfaktor trotz Langeweilegefahr gerne in Kauf, wurden potentielle Unannehmlichkeiten doch durch einen entscheidenden Vorteil aufgewogen: Bei der Rückreise auf die Heimatinsel gab es mehr Freigepäck. Und dabei ging so manches Flugzeug in die Knie. Ich weiß beispielsweise von einer ungeplanten Zwischenlandung, weil aufgrund der üppigen (Einkaufs)ladung Sprit nachgetankt werden musste. Nichts wurde damit aus dem geplanten Direktflug nach Island, stattdessen gab es stundenlange Verspätung. Ein andermal verbrachten Verwandte von Stefán ein paar Tage im neufundländischen St. John's. Was sie in dieser Zeit zu Gesicht bekamen, war vor allem das Einkaufszentrum. Beim Rückflug musste aus Platzmangel im Flugzeug eine gute Portion der frisch erstandenen Schätze – Küchenmaschine und Golfset inklusive – erst einmal beim Bodenpersonal zurückbleiben. Sie wurden später nachgeschickt. Doch egal wie die Rückreise auch ausfiel: Ihren krönenden Abschluss, das Tüpfelchen auf dem „i“, bildete stets der finale Großeinkauf im heimatlichen Duty Free Shop am Flughafen. Tabak und Spirituosen, Handys und CD-Player, Kosmetika und Süßigkeiten. Erst wenn alle erlaubten Kapazitäten ausgereizt waren, hatte man sein Soll erfüllt und durfte sich glücklich und zufrieden ins heimische Sofa sinken lassen mit der Gewissheit, wieder einmal wirtschaftlich gehandelt zu haben.
    Erst vor kurzem sprach ich auf einer Reisemesse mit einer Dame von der kanadischen Ostküste, die sich gut an den isländischen Einkaufswahnsinn erinnern konnte. Diese Zeiten gehören der Vergangenheit an. „Es macht einfach keinen Spaß mehr, im Ausland einzukaufen!“, fasste Stefán unseren gemeinsamen, weihnachtlichen Stadtbummel in Nürnberg zusammen. „Es ist alles viel zu teuer geworden!“ Dabei hatte sich der Euro-Preis nicht geändert.
    Die offiziellen Statistiken bestätigen diesen Verlust einer Island-Tradition: Der internationale Flughafen in Keflavík sieht in der Vorweihnachtszeit nur noch halb so viele Isländer wie in den Jahren vor der Krise. Den Sommer 2009 sollen 80 bis 90 % aller Isländer zuhause auf der Heimatinsel verbracht haben, anstatt sich zum Beispiel an einem spanischen Strand in der Sonne zu aalen.
    „Geänderte Zeiten erfordern neue Konsumgewohnheiten“ bringt eine Tageszeitung die Lage auf den Punkt. Die Stadtbücherei kann einen deutlich größeren Zulauf für sich verbuchen. Taxis werden weniger genutzt, dafür sind die Stadtbusse morgens voll. Man bildet Fahrgemeinschaften, radelt oder läuft häufiger in die Arbeit. Kleidungsstücke werden abgeändert anstatt weggeworfen. Schneidereien haben deshalb Hochkonjunktur ebenso wie Second Hand- Läden. Tatsächlich höre ich hier erstmalig Schlagworte wie Preisbewusstsein, Sparen oder Buchhaltung für den Privathaushalt.
    Auch für die neue Staatsregierung – die Koalition aus den Sozialdemokraten Samfylkingin und der Links- Grünen Bewegung Vinstri hreyfingin – grænt framboð – heißt es sparen. Sie hat es freilich nicht leicht, die Löcher zu stopfen, die satte achtzehn Jahre politische Vorherrschaft der Unabhängigkeitspartei hinterlassen haben. Aber eines ist unumgänglich: Der Staat braucht Geld! Um sich diesem Ziel ein Stück weit zu nähern, musste zum Beispiel die öffentlich-rechtliche

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