Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwischen Licht und Dunkel

Titel: Zwischen Licht und Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Spitzbart
Vom Netzwerk:
Arbeitszeit einschieben – der Gang auf die Bank oder zur Apotheke etwa. Und auch nach dem Feierabend-Läuten stehen immer wieder gemeinsame Aktionen auf dem Programm wie Essengehen oder sogar ein Wochenendtrip nach London oder Kopenhagen.
    Wenn daher eine holländische Studie an der Universität Groningen zu Tage fördert, dass es auf Island mit der Produktivität pro Arbeitsstunde nicht ganz so spitzenmäßig bestellt ist wie in Sachen Arbeitsstunden, überrascht es mich nicht. Nur zu gerne will ich glauben, dass das eine oder andere Produktivitäts- Quentchen dem ausgeprägtem Sozialverhalten am Arbeitsplatz zum Opfer fällt. Außerdem dürften folgende Tatsachen ihren Beitrag dazu leisten. Erstaunlich viele Isländer können als Multitalente von Vielem etwas. Allerdings nicht unbedingt auf Spezialistenniveau. So kann es vorkommen, dass eine Arbeit nicht so wie beim gelernten Fachmann von der Hand geht, obwohl seine Anwesenheit bisweilen nicht schaden würde. Da zusätzlich – wie berichtet – viel auf Nebenjob-Basis gearbeitet wird, womöglich nur für wenige Wochenstunden, wechselt das Personal überdurchschnittlich oft. Der „rote Faden“, der sich idealerweise durch ein Geschehen ziehen sollte, ist daher längst nicht immer garantiert. Wichtige Informationen gehen infolge dessen verloren. Meine isländischen Konferenz-Kollegen amüsierten sich immer königlich darüber, dass ich jede Detailinfo zu Papier brachte, um sie für alle verfügbar zu machen. Im Gegenzug fiel ich bei einem Hotelgast in Ungnade, weil man mir nicht mitgeteilt hatte, dass eben jener Herr ausnahmsweise den hoteleigenen Business-Center kostenlos benutzen durfte.
    Früh übt sich, wer ein Meister werden will … heißt das nicht so? Auf die Gewöhnung des Jung-Isländers an Arbeit passt dieser Spruch jedenfalls ganz hervorragend. Denn was der Papa macht und die Mama auch, liegt dem Nachwuchs schon im Blut. Der weiß nämlich von ausgesprochen jungen Jahren an, was es mit echtem Geldverdienen auf sich hat. Richtiges Geld meine ich. Zehn oder elf Jahre alt werden die meisten sein, wenn es damit los geht. Ein erkleckliches Sümmchen im Monat – steuerfrei versteht sich – kommt jedenfalls für denjenigen zusammen, der unter der Woche gegen sechs Uhr früh jeweils eine Stunde lang vor der Schule Zeitungen austrägt. Manchmal müssen zwar die Eltern mit anpacken, aber was soll's. Kein schlechtes Taschengeld für einen Jungspund.
    Wenn es Ende Mai auf die Sommerferien zugeht, häufen sich die Privatanzeigen an den Laternenpfählen: Zwölf- bis vierzehnjährige Mädchen wollen Baby sitten, die Jungs Rasen mähen. Auch Stefán stockte seinerzeit auf diese Weise seine Ferienkasse auf. Hauptsache beschäftigt sein. Was auch sonst tun bei drei langen Ferienmonaten und (meistens) zwei berufstätigen Elternteilen? Eine sinnvolle Beschäftigungsalternative – und gleichzeitig ein Kapitel für sich – ist die Arbeitsschule der Stadt Reykjavík, eine bewährte Ferienbeschäftigung für Schüler der 7. bis 9. Klassen. Nein, ich rede nicht von „Kinderarbeit“! Das will ich ausdrücklich betonen. Vielmehr geht es darum, die Schüler durch gemeinnützige Arbeiten unter freiem Himmel ein Taschengeld verdienen zu lassen, für wenige Arbeitsstunden am Tag. Grünanlagen pflegen zum Beispiel.
    So kann ich jedes Jahr folgendes Schauspiel beobachten: Eine mindestens zehnköpfige Teenager-Truppe macht sich über das kleine Grundstück rund um die Musikschule gegenüber meinem Küchenfenster her. Rasen mähen, Hecken schneiden und Unkraut jäten. Der Großteil an Zeit und Energie wird allerdings dafür aufgewendet, Grasschlachten zu veranstalten, Büsche ihres Blattwerkes zu entledigen, auf der Straße den neuesten Modetanz aufzuführen oder einfach nur auf einen Rechen gelehnt dazustehen und Löcher in die Luft zu starren. Der meistens allzu jugendlich angehauchte Gruppenleiter macht natürlich auch mit. Kein Wunder, dass sich die Gartenpflege- Mission erst nach mehreren ganztägigen Anläufen abschließen lässt. Und das bei einem Arbeitspensum, das ich alleine in zwei oder drei Tagen bewältigt hätte. Das Ergebnis ist jedoch sehr kreativ. Schließlich ist es doch ganz normal, Teenager mit dem Zurechtstutzen von Gartenhecken zu betrauen, oder? Ihren Hauptzweck hat die Aktion aber erfüllt: Die Ferienkids sind gut aufgehoben. Wer weiß, was ihnen sonst in den Sinn kommen würde.
    Doch es sind längst nicht nur die Ferien fürs Arbeiten wie geschaffen.

Weitere Kostenlose Bücher