Zwischen Licht und Dunkel
Elternteile haben Anrecht auf jeweils drei fixe Babymonate. Hinzu kommen weitere drei Monate, die sich die Eltern beliebig teilen dürfen. Der Staat zahlt in dieser Zeit einen monatlichen Ausgleich. Bis zum 31. Dezember 2009 entsprach er noch 80 % des Gehaltes. Seitdem, ganz im Zeichen der Wirtschaftskrise, wurde es für die meisten etwas weniger, wobei insbesondere der Maximalbetrag massiv gekürzt wurde. Am gängigsten ist der Fall, dass Mama neben ihrer dreimonatigen „Pflicht“ auch die „Kür“ übernimmt und folglich die ersten sechs Lebensmonate bei ihrem Säugling ist. Für die nächsten drei Monate geht Papa an die Windel. Und das macht er ganz vorbildlich.
Der Erziehungsurlaub für den Mann … Woran sich deutsche Arbeitgeber immer noch gewöhnen müssen, ist auf Island schon längst gängige Praxis. „Papas so viel mit den Kindern wie nie zuvor“ verkündet eine Tageszeitung im Herbst 2007. Neun von zehn Vätern der Nation machen von ihrem Recht Gebrauch, in Alleinverantwortung Babypopos zu pflegen und Kinderwägen zu schieben. Noch nie zuvor in der isländischen Geschichte waren sie so eifrig bei der Sache. Aber selbst hier fing der Mann einmal klein an und steigerte sich von erst einem über zwei auf die gegenwärtigen drei Monate Vaterschaftsurlaub. Bleibt nur noch die Frage, wie intensiv er sich in dieser Zeit tatsächlich dem Nachwuchs widmet. Eine Studie lässt nämlich durchblicken, dass er es doch nicht ganz lassen kann: im Schnitt arbeitet ein Vater im Erziehungsurlaub trotzdem einen 30 %-Job. Oder er schreibt die Abschlussarbeit für's Studium, so wie das bei uns der Fall war. Anna und ich waren derweil bei Oma und Opa auf Heimatbesuch in Deutschland … Wie dem auch sei. Ein Hoch auf die gesunde Vater-Kind-Beziehung und den Beitrag zur Gleichberechtigung. Denn isländische Personalabteilungen müssen auch dann mit „Ausfallzeiten“ rechnen, wenn sie Männer einstellen.
Und was treibt Mama derweil? Sie ist längst wieder „im Job“. Tatsächlich arbeiten nur die wenigsten isländischen Frauen über den offiziell gewährten und bezahlten Erziehungsurlaub hinaus „nur“ als Hausfrau und Mutter. Bereits in einem vorherigen Kapitel ließ ich anklingen, dass die Frauen der isländischen Nation ein kräftiges Wörtchen auf dem Arbeitsmarkt mitreden. Aber fällt die Entscheidung dafür wirklich immer aus ganz freien Stücken? Ich glaube es nämlich nicht. Vielmehr sehe ich die Lage so: Für viele Familien gibt es aus finanziellen Gründen überhaupt keine Alternative – weder vor, noch nach der wirtschaftlichen „Wende“ im Oktober 2008. Die traditionell hohen Lebenshaltungskosten sind noch mehr gestiegen, von enormen Kreditabzahlungsraten ganz zu schweigen. Selbst wer seinen individuellen Lebensstandard notgedrungen heruntergeschraubt hat, wird ohne einen Zweitverdiener in der Familie nur selten auskommen. „Zur Selbstverständlichkeit gewordener Zugzwang“ nenne ich gerne die nüchterne Tatsache, dass die meisten frischgebackenen Islandmütter so bald wie möglich wieder ihrer „gewohnten“ Arbeit nachgehen.
Für Überraschung, wenn nicht sogar Ungläubigkeit sorgte daher meine Handhabung dieser Angelegenheit, und das gleich in mehrfacher Hinsicht: Erstens blieb ich anstelle der üblichen sechs Monate gleich ein geschlagenes Jahr bei meiner Tochter daheim, bei 50 % meines früheren Lohnes. Zweitens nahm Stefán seine drei Vatermonate innerhalb dieser Frist. Mutter und Vater zeitgleich im Erziehungsurlaub? Ein Ereignis mit echtem Seltenheitswert, das – wie mir dünkt – nach isländischem Verständnis fast an Verschwendung grenzt. Schließlich verfolgt Papas Einsatz den Hauptzweck, Mama abzulösen! Und drittens … „Wie, du bist nach zwei Jahren immer noch daheim?!“ Ja, das war ich! Unbezahlt aber mit großer Freude. Eine familieninterne Regelung, für die ich nachweislich immer wieder beneidet wurde: „Wie gerne wäre auch ich damals länger daheim geblieben! Aber der Job …“
Die isländische Variante in Sachen Kleinkinderbetreuung heißt Tagesmutter. Frühstück ab acht Uhr, Streupartikel aufkehren, Nasen putzen, Trösten, Wickeln, Schläfchen verordnen. Mittagessen kochen, Raubtierfütterung, Kehren, Nachmittagsimbiss, Wickeln und Trösten bis zur Abholung am Spätnachmittag. Bis zu fünf kleine Kameraden wuseln gleichzeitig im Privatquartier der Betreuerin herum, einige davon vielleicht gerade einmal sechs oder neun Monate alt. Als Urlaubsvertretung für eine
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