Zwischen Licht und Dunkel
perfekt gebratenen Rückens lieber den Damen meiner isländischen Familie. Bei kjötsúpa lege ich selbst Hand an. Ein echter Herbstund Winterklassiker ist die kräftige Fleischbrühe aus Suppenfleisch am Knochen und Einlage. Kartoffeln, Gelbe Rüben, Steckrüben. Kohl vielleicht, Reis oder Graupen.
Auch geräuchert wird Lammfleisch, stark geräuchert sogar. Nach dem Schlachten im Herbst wurden die guten Fleischstücke früher über das Herdfeuer gehängt. Durch das tägliche Kochen darunter waren sie dann bis Weihnachten gerade richtig geräuchert – über Schafsdung, dem traditionellen Brennmaterial. Heute noch bilden dicke rosafarbene Scheiben hangikjöt , Hängefleisch, das traditionelle Weihnachtsessen, serviert mit Dosenerbsen der Marke Ora und gekochten Kartoffeln, die in Mehlschwitze zu ertrinken drohen. Die ist aber auch notwendig, um den rauchig-intensiven Lammfleischgeschmack wenigstens etwas auszugleichen. Kartoffeln landen zur Abwechslung auch gerne karamellisiert auf dem Teller. Wesentlich lieber, da milder, ist mir soeben genanntes hangikjöt als kalter, dünner Aufschnitt auf einem mit Butter bestrichenen flatkaka , Flachkuchen oder Flachbrot. Dieser Fladen entspricht ziemlich genau dem, was ich mir unter einem ganz dezent angebrannten Pfannkuchen aus Brotteig vorstelle.
Gepökeltes saltkjöt , Salzfleisch, kommt nicht nur zum beschriebenen Þorrablót auf den Tisch, sondern auch am „Fleischverabschiedungsfest“. Das wird zeitgleich mit Deutschland begangen. Genau, Karneval! So heißt das ja wörtlich: „dem Fleisch ade sagen“. Es gilt also, ein letztes Mal gründlich zuzuschlagen, bevor es in die zumindest früher fleischlose Fastenzeit geht. Anstelle unserer deutschen Krapfen stapeln sich auf Island am Rosenmontag, dem bolludagur, die Windbeutel. Großzügig mit Schlagsahne gefüllt und einem dunklen Schoko-Häubchen obendrauf. Kinder können diesen Tag kaum erwarten, gilt es doch die Eltern in aller Frühe unsanft aus dem Schlaf zu reißen durch Klapse mit einem Stock, der eigens zu diesem Zwecke präpariert ist. Ziel ist es, Mama und Papa damit möglichst oft zu erwischen, denn genau so viele bollur , also Windbeutel darf man vernaschen. Auch sonst wird an diesem Tag gerne „rund“ gespeist, zum Beispiel Küchlein aus Hackfleisch oder Fischfarce, fiskibollur . Tags darauf gibt es soviel Fleisch bis man beinahe zerplatzt nach der Mahlzeit. Das lässt schon die isländische Bezeichnung des Faschingsdienstags erkennen: sprengidagur . Haarscharf vorbei schrammte ich an einem kulinarischen Sakrileg, als ich mich mit besagtem saltkjöt und seinen baunir als Beilage bekannt machte. Letztere entpuppten sich nicht als Bohnen, wie die Bezeichnung nahe legt, sonders als gelbes, ziemlich dünnflüssiges Erbsenpüree. Bohnen, Erbsen, Linsen, sogar Mais, offensichtlich das gesamte Hülsenfrüchtesortiment, alles ist auf Island „Bohne“. Eine Platte mit Pökelfleisch am Knochen hatte ich vor mir und daneben diese baunir . Wie ist das nun zu essen? Mutterseelenallein in der Kantine, dank einer verspäteten Mittagspause, war niemand vor Ort zum Fragen oder Abschauen. So lud ich ein Stück Fleisch auf meinen Teller, goss Erbsen darüber und nahm Messer und Gabel zur Hand. Die inselgerechte Version lautet allerdings anders, wie ich im letzten Moment herausfand, als sich doch noch ein isländischer Kollege zu mir gesellte: Was ich fälschlicherweise als Soße angesehen hatte, war Erbsen suppe . Folglich Fleisch entbeinen, kleinschneiden, Fleischbrocken in die Erbsensuppe werfen und zum Löffel greifen. Wieder hatte ich eine Lektion gelernt. Apropos Fasching: Die Kinder verkleiden sich hier nur an einem einzigen Tag, nämlich am Aschermittwoch, wenn nach deutschen Maßstäben alles vorbei ist. Ähnlich wie beim amerikanischen Halloweenfest ziehen sie – die ganz Kleinen in erwachsener Begleitung – durch Geschäfte, Hotels und Banken, um Süßigkeiten zu ergattern. Das war es dann aber schon mit Fasching. Von rauschenden Kostümbällen habe ich bis heute jedenfalls nichts bemerkt.
Obwohl das isländische Lamm mittlerweile von Geflügel- und Schweinefleisch harte Konkurrenz bekommen hat, wird es wohl auch in Zukunft ein wichtiger Fleischlieferant sein. Nicht zuletzt wäre da noch Walfleisch, ein heikles Stichwort, zu dem sich jeder selbst seine Meinung bilden muss. Als Isländer nutzte man seit jeher die Speisekammer Meer und deshalb gilt auch der Wal als Nutztier. Der Walfleischverzehr ist heute auf
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