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Zwischen Licht und Dunkel

Titel: Zwischen Licht und Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Spitzbart
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fermentierter Rochen. Glattrochen, genau genommen, der wie der Haifisch keine Niere hat und somit im Rohzustand ebenfalls ungenießbar ist. Auch er muss sich vor dem Verzehr einer entsprechenden Kur unterziehen. Seinen großen Tag hat s kata am 23. Dezember. Dann ist Þorláksmessa , die an den Todestag des Heiligen Þorlákur im Jahre 1193 erinnert. Fünf Jahre später sprach das Parlament Alþingi den isländischen Bischof heilig, nachdem erwiesen schien, dass er tatsächlich Wunder vollbracht hatte. Erst 1985 gab Papst Johannes Paul II seinen Segen auf diesen Akt und erhob Sankt Þorlákur sogar zum Schutzpatron Islands.
    Als eines schönen Arbeitstages im Dezember bereits vormittags dieser unverkennbar penetrante und tagelang präsente Geruch aus der Kantine drang und damit kundtat, was sich anbahnte, hatte ich trotzdem noch Hoffnung. Dass der Mittagstisch dann aber gar nichts anderes als skata hergab, war nicht fair. Die obligatorischen Kartoffeln als Beilage nebst heißem, flüssigem Talg waren auch nicht gerade das, was man sich im allgemeinen unter einer halbwegs anständigen Mittagsmahlzeit vorstellt. Tröstlicherweise empfand nicht nur ich das so, sondern schätzungsweise auch die gute Hälfte der isländischen Belegschaft. Tatsächlich bringt nach meiner Erfahrung nur die Minderheit der Inselbewohner dem „Gammelrochen“ Sympathie entgegen, wie skata mitunter in der deutschen Übersetzung genannt wird. Viele schüttelt es schon beim bloßen Gedanken daran. Auch ich konnte an diesem Arbeitstag nicht anders, als mich mit Butterbrot zu verpflegen.
    Für denjenigen, der die kulinarische Herausforderung nicht im Aroma, sondern alternativ in der Optik suchen will, habe ich ebenfalls einen Vorschlag: Hinter der Bezeichnung svið verbirgt sich ein halber Schafskopf mit einem Auge, halber Zunge und halbem Kiefer, in dem noch die Zähne stecken. Auge oder Zunge, welches von beiden ist denn die wahre Delikatesse? Ich konnte mich nicht entscheiden, als ich seine professionelle Zerlegung haarklein demonstriert bekam, exklusiv für mich, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. So ein Schafsköpflein bringt durchaus die besondere Atmosphäre auf den Tisch. Wer sich in der Öffentlichkeit nicht heranwagen und eine erste Zwiesprache lieber daheim im stillen Kämmerlein suchen will, könnte sich seine Portion svið , traditionell serviert mit Steckrübenmus und Kartoffelbrei, zum Beispiel von Reykjavíks zentralem Busbahnhof nach Hause holen. Im dortigen Selbstbedienungsrestaurant mit angeschlossener Drive in -Luke steht Koch Bjarni am Herd, der für seine Islandküche bekannt und beliebt ist. Nicht von ungefähr fühlt er sich als Bewahrer des isländischen Schafkopfes, obwohl er selbstverständlich auch Internationales in seiner Theke hat – für alle Fälle. Jung und Alt, Arm und Reich stehen bei ihm an. Ich sah schon höchst elegant gekleidete Herrschaften genüsslichst Schafköpfe zerlegen, die offensichtlich einen Opern- oder Theaterbesuch stilvoll abrundeten. Ich persönlich bevorzuge den Gesichtsausdruck des lebendigen Schäfleins.
    Für den svið - und hákarl- Jäger kommt es geballt zur Zeit des winterlichen Festes Þorrablót . Þorri heißt der vierte Wintermonat des altisländischen Kalenders. Er beginnt immer an dem Freitag, der zwischen dem 19. und 25. Januar liegt. An diesem Stichtag ist der Winter zur Hälfte überstanden und es geht hoch her. Die Tische biegen sich unter den Nahrungsmitteln, die diese Jahreszeit schon in uralter Zeit hergab. Geräuchertes, Fermentiertes, Gesalzenes, Getrocknetes und Gesäuertes. Konservierungsmethoden vor dem Zeitalter des Kühlschranks. Auch blóðmör und lifrarpylsa , Blut- und Leberwurst, sind mit von der Partie. Vom Hauch des ganz Besonderen umweht sind súrhvalur , Walspeck, und hrútspungar , Schafshoden, beides sauer eingelegt in Molke, um nur einige Beispiele zu nennen. Da kommt der eine oder andere Schluck brennivín -Schnaps, auch „Schwarzer Tod“ genannt, recht gelegen. Dieses geballte Abtauchen zu den kulinarischen Wurzeln ist unter den Einheimischen äußerst beliebt. Die Þorrablót -Buffets jedenfalls, die zahlreiche Restaurants anbieten, sind regelmäßig ausgebucht. Auch Isländer fern der Heimat schlemmen und feiern zu dieser Jahreszeit miteinander, beispielsweise die isländisch-kanadische Gemeinde in Winnipeg.
    Ich ließ mir berichten, dass Þorrablót vor allem auf dem Land ein wichtiges kulturelles Ereignis darstellt. In jeder Gemeinde soll

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