Zwischen Macht und Verlangen
es vortrefflich gelungen, ihren Ausdruck von Ruhe und Zufriedenheit festzuhalten.
Der dazugehörige Text war kurz. Shelbys Name und Alter wurden angegeben, mit Hinweis auf ihren verstorbenen Vater und einer kurzen Würdigung ihrer selbst als Töpferin. Bei Senator MacGregor wurde sein Eintreten für die Heimatlosen hervorgehoben. Der ganze Absatz endete mit ein paar spekulativen Bemerkungen bezüglich ihrer beider Beziehung. Es war nichts Bösartiges an dieser kleinen, für Washington typischen Klatschreportage. Trotzdem reagierte Shelby beim Lesen ungewöhnlich. Sie war überrascht, gleichzeitig aber fühlte sie sich in ihrer Meinung bestätigt.
Ich hatte von Anfang an Recht, dachte sie bitter, als ihr Blick zu dem Bild zurückwanderte. Politik im weitesten Sinne würde sich immer zwischen sie und Alan drängen. Nicht einen einzigen Nachmittag lang würden sie sich wie normale Menschen bewegen dürfen. Es würde nie anders werden.
Shelby schob die Zeitung heftig beiseite und griff nach ihrer Kaffeetasse. „Dank dieser vorzüglichen Reklame wäre es nicht weiter verwunderlich, wenn ich am Montag reichlich Publikumsverkehr im Laden hätte“, sagte sie.
„Shelby!“ Deborah Campbell nahm beide Hände ihrer Tochter in ihre eigenen und zwang Shelby dadurch, auf ihrem Platz sitzen zu bleiben. Sie lächelte nicht mehr, sondern blickte besorgt drein. „Seit wann hast du etwas gegen öffentliches Interesse einzuwenden? Grant ist in dieser Beziehung krankhaft empfindlich, dich hat es doch immer nur amüsiert.“
„Es stört mich überhaupt nicht“, protestierte Shelby mit schlecht gespielter Gleichgültigkeit. „Für meinen Umsatz kann es nur vorteilhaft sein. Manche Leute mögen sogar hoffen, Alan hier anzutreffen. Es ist eine harmlose Sache.“
„Ja“, Mrs. Campbell nickte und streichelte Shelbys nervöse Hände, „das ist es.“
„Nein, im Gegenteil.“ Shelby sprang auf. „Eine große Gemeinheit ist es!“ Sie lief ziellos im Zimmer umher, wie Deborah es an ihr schon unzählige Male beobachtet hatte. „Ich kann es nicht einfach hinnehmen und will es auch gar nicht.“ Heftig stieß sie mit dem Fuß gegen einen Hocker. „Warum ist Alan nicht Atomphysiker oder betreibt eine Kegelbahn? Weshalb schaut er mich an, als kenne er mich seit eh und je und als machten ihm meine Fehler überhaupt nichts aus? Er soll mich nicht belästigen. Ich ertrag’ es nicht!“
Die Zeitung mit dem Bild flog in die Ecke.
„Aber es ist ja egal“, Shelby fuhr sich mit den Händen durch das Haar und versuchte vergeblich, sich zu beruhigen. „Es ist ja egal“, wiederholte sie. „Ich hatte mich ja vorher schon entschieden.“ Sie schüttelte den Kopf und hob die Kaffeekanne. „Möchtest du noch Kaffee haben, Mama?“
Temperamentvolle Ausbrüche ihrer Tochter waren für Deborah Campbell nichts Neues. „Einen Schluck, bitte. Was hast du denn entschieden, Shelby?“
„Ich werde mich nicht mit ihm einlassen.“ Nachdem sie ihrer Mutter nachgeschenkt hatte, stellte Shelby die Kanne auf die Wärmeplatte zurück und setzte sich wieder an den Tisch. „Wir könnten im Restaurant bei der Galerie zu Mittag essen.“
Mrs. Campbell nickte. „Gern. War es ein netter Tag im Zoo?“
Shelby zuckte mit den Schultern. „Ja, es war nett.“ Sie schob die Gegenstände auf den Tisch hin und her, ohne dass sie sich dessen bewusst war.
„Ich nehme an, dass du Senator MacGregor gegenüber deinen Standpunkt klargelegt hast, oder?“
„Gleich von Anfang an habe ich Alan gesagt, dass ich mich mit ihm nicht einmal verabreden möchte.“
„Aber du bist mit ihm letzte Woche zu den Ditmeyers gekommen?“
„Das war etwas anderes.“ Shelby sah ihre Mutter nicht an. „Und gestern – das war ein einmaliges Versehen!“
„Er erinnert dich an deinen Vater, nicht wahr?“
Ihre Augen trafen sich plötzlich, und Deborah Campbell erschrak über den tiefen Schmerz, der aus Shelbys Blick sprach.
„Er ähnelt ihm so sehr“, wisperte Shelby, „es ist schrecklich. Die gleiche Ruhe und Bestimmtheit, der feste Glaube an das große Ziel, das er mit Sicherheit auch erreichen wird, es sei denn …“ Sie brach ab und schloss die Augen. „Es sei denn, irgendein Irrer schießt ihn aus undurchsichtigen Gründen nieder. O Gott, ich glaube, ich habe mich in ihn verliebt, dabei möchte ich am liebsten wegrennen.“
Deborah drückte Shelbys Hand. „Wohin?“
„Irgendwohin.“ Sie atmete tief und öffnete die Augen. „Es gibt ein Dutzend Gründe,
Weitere Kostenlose Bücher