Zwischen Macht und Verlangen
warum ich mich in ihn nicht verlieben möchte. Wir sind zu unterschiedlich, Alan und ich.“
Deborah Campbell lächelte zum ersten Mal wieder. „Und ist das so schlimm?“
„Bring mich bitte nicht durcheinander, wenn ich versuche, es dir logisch zu erklären.“ Shelbys freundliche Natur gewann langsam wieder die Oberhand. „Versteh doch, Mama, ich würde diesen Mann innerhalb einer Woche ins Irrenhaus bringen. Und an meine Art Leben könnte er sich nicht gewöhnen. Du solltest dich einmal mit ihm unterhalten, nur wenige Minuten, dann merkst du sofort, dass es sich um einen ordentlichen Menschen handelt, der sicherlich ein vorzüglicher Schachspieler ist. Er möchte bestimmt seine Mahlzeiten pünktlich zu festgesetzten Zeiten, und er weiß mit Sicherheit ganz genau, welche seiner Hemden in der Wäsche sind.“
„Liebes, sogar du musst einsehen, wie töricht deine Gründe sind.“
„Mag sein.“ Shelbys Blicke wanderten über die schlappen Ballons auf dem Fußboden. „Aber das andere kommt eben noch dazu.“
„Damit meinst du, dass er Politiker ist.“ Shelby zuckte zusammen und verriet somit deutlich, dass ihre Mutter den Finger auf die Wunde gelegt hatte, „Man kann sich den Mann nicht schneidern lassen, in den man sich eines Tages verliebt.“
„Deshalb verliebe ich mich auch nicht in Alan.“ Aus Shelbys Stimme sprach Trotz. „Mein Leben gefällt mir gut, wie es jetzt abläuft. Niemand wird mich zwingen, meine Gewohnheiten zu ändern, wenn ich es nicht will. Schluss damit. Lass uns jetzt etwas für unsere Bildung tun und flämische Kunst betrachten, und dann essen wir zusammen.“
Alan saß vor einem riesigen alten Schreibtisch im Arbeitszimmer seines Hauses. Durch das geöffnete Fenster drang der Duft von Flieder. Der hatte auch das erste Zusammentreffen mit Shelby begleitet. Dieser Gedankenstütze bedurfte er allerdings nicht, denn ihr Bild war ihm nur zu gegenwärtig.
Zum hundertsten Mal versuchte er, sich auf die Akten zu konzentrieren, die dringend durchgesehen werden mussten. Er sortierte wichtige Schriftstücke aus und legte sie beiseite. Nach einer Stunde hatte er sein Pensum bewältigt und packte die notwendigen Unterlagen für eine Besprechung mit dem Bürgermeister von Washington ein, die am nächsten Morgen stattfinden sollte.
Alan lehnte sich zurück und entspannte sich noch zehn Minuten, dann würde Besuch eintreffen.
Alan schaute sich um. Die Bücher standen peinlich genau sortiert in großen Regalen entlang der drei Innenwände des Raumes. Jedes Möbelstück hatte seinen festen Platz, keines der Gemälde hing auch nur einen Millimeter aus dem Lot. Das Gleiche galt für seinen Tagesrhythmus – jedenfalls bis her. Und jetzt verlangte es ihn plötzlich nach einem Wirbel wind! Wollte er Shelby unterwerfen oder sich ihr anpassen?
Die Türglocke ertönte, Myra war auf die Minute pünkt lich.
„Guten Morgen, McGee!“ Myra schwebte herein mit einem freundlichen Lächeln für den kräftigen schottischen Butler.
„Guten Morgen, Mrs. Ditmeyer!“ McGee war ein Hüne an Gestalt, solide wie eine Steinmauer, und näherte sich den Siebzig. Seit drei Jahrzehnten war er bereits in Alans Fami lie als Butler tätig gewesen, bevor er Hyannis Port auf eigenen Wunsch verließ, um Alan nach Georgetown zu begleiten. Als Grund hatte er angegeben, Mr. Alan würde ihn dort brauchen. Dagegen konnte niemand etwas einwenden, und so musste man ihm seinen Willen lassen.
„Sie haben nicht zufälligerweise Ihre Spezial-Pasteten gebacken?“ fragte Myra hoffnungsvoll.
„Mit geschlagener Sahne, Madam.“ Der Anflug eines Lächelns huschte über McGees unbewegliche Miene.
„Wundervoll, McGee, Sie sind ein Schatz! Hallo, Alan!“ Sie streckte ihre Hände dem Hausherrn entgegen, der aus seinem Zimmer in die Halle trat. „Wie reizend von Ihnen, mich an einem Sonntag zu empfangen.“
„Es ist mir immer eine Freude, Myra!“ Alan küsste sie auf die Wange und führte sie in den Salon.
Aufatmend ließ Myra Ditmeyer sich in einen Chippendalesessel mit hoher, gerader Lehne fallen und schlüpfte unbemerkt aus ihren engen Pumps mit den hohen spitzen Absätzen. „Welch eine Wohltat“, murmelte sie erleichtert und bewegte genussvoll die gequälten Zehen. „Ich habe einen überaus netten Brief von Rena erhalten“, sagte sie. „Sie fragt, wann Herbert und ich nach Atlantic City kommen können, um in ihrem Casino etwas Geld zu verlieren.“
„Mir ist es letztens ähnlich ergangen“, erwiderte Alan
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