Zwischen Macht und Verlangen
du das selbst sehen“, wurde er informiert. „Deine Geschwister wollten, dass die Familie sich vollzählig treffen soll. Justin und Diana kommen auch.“
„Da hast du ja allerhand zu tun gehabt“, murmelte Alan.
„Was sagst du? Sprich deutlicher.“
„Ich sagte, dass dann ja allerhand Unruhe auf dich zukommt.“
„Um deiner Mutter willen kann ich meine Ruhe schon einmal opfern. Sie macht sich viel zu viele Gedanken um ihre Kinder, besonders um dich, weil du allein lebst ohne Frau und Familie. Schließlich bist du der älteste Sohn“, Vater MacGregor genoss sein Lieblingsthema, „und immer noch Junggeselle. Deine jüngeren Geschwister sind beide verheiratet. Aber du verbringst deine Zeit mit Herumflirten, anstatt dir deiner Pflicht bewusst zu werden, was die Fortführung der MacGregor’schen Linie angeht.“
Alans Laune wurde zusehends besser. Er lächelte sogar. „Was das angeht, kannst du dich eigentlich nicht beklagen. Vielleicht kriegt Rena ja sogar Zwillinge.“
„So!“ Daniel MacGregor dachte kurz nach. „Wir erwarten dich also am Freitagabend.“ Er nahm einen neuen Anlauf und zog tief an der verbotenen Zigarre. Dann legte er von neuem los. „Was ist an den merkwürdigen Geschichten dran, die man in den Zeitungen findet?“
Alan stellte sich unwissend. „Kannst du nicht deutlicher werden?“ fragte er scheinheilig.
„Vielleicht – hoffentlich! – war es nur eine Ente. Ich sollte eigentlich meinem eigenen Fleisch und Blut vertrauen können.“
„Ich verstehe dich immer noch nicht.“ Natürlich wusste Alan ganz genau, woher der Wind wehte. Aber das Gespräch war zu schön, um nicht ausgekostet zu werden.
„Als ich las“, dröhnte die väterliche Stimme mit vorwurfsvollem Unterton durch den Hörer, „dass mein Sohn und Erbe seine Zeit damit verbringt, mit einem Spross der Campbells zu fraternisieren, hielt ich das selbstverständlich für einen Druckfehler. Wie heißt das Mädchen?“
Beinahe tat der Vater ihm Leid. Alan wusste, dass er ihm wehtun würde. „Welches Mädchen?“ wich er aus.
„Verdammt nochmal, Junge, halt mich nicht für dumm! Die hübsche Rothaarige natürlich, die wie ein Elfenkind aussieht. Sie ist gut gebaut und hält sich gerade. Viel mehr ist auf dem Bild ja nicht zu erkennen.“
„Shelby“, antwortete Alan und legte eine Pause ein, „Shelby Campbell.“
Totale Stille. Alan machte sich auf allerlei gefasst. Hoffentlich vergisst er nicht, wieder Luft zu holen, dachte er. Schade, dass ich sein altes Piratengesicht nicht beobachten kann.
„Campbell!“ Das Wort explodierte in Alans Ohr. „Eine diebische, mörderische Campbell also.“
„Ja, Vater, ihre Meinung von den MacGregors ist ähnlich schmeichelhaft.“
„Keiner meiner Söhne wird einem Angehörigen des Campbell-Clans ‚Guten Tag‘ sagen.“ Daniel MacGregors Stimme überschlug sich fast. „Ich werde dich persönlich verprügeln, Alan Duncan MacGregor.“ Diese Drohung hatte seit mehr als fünfundzwanzig Jahren keine Bedeutung mehr, aber die Lautstärke war gleich geblieben. „Das Fell zieh’ ich dir über die Ohren.“
„Du wirst die Chance dazu bekommen, wenn ich zum Wochenende mit Shelby anreise.“
„Eine Campbell in meinem Haus – ha!“
„Ganz richtig, eine Campbell in deinem Haus.“ Alan regte sich überhaupt nicht auf. „Und eine Campbell in deiner Familie noch vor Jahresende, wenn es nach meinen Wünschen geht.“
„Du …“ Gefühle recht gegensätzlicher Art kämpften in Daniel MacGregor. Einerseits war es sein Herzenswunsch, den ältesten Sohn verheiratet und als Familienvater zu erleben. Andererseits – „du denkst ernsthaft daran, eine Campbell zur Frau zu nehmen?“
„Ja, ich habe sie auch schon gefragt. Aber vorläufig will sie mich noch nicht haben.“
„Sie will nicht? Das wird ja immer schöner! Was für ein hirnloses Geschöpf muss das sein! Typisch Campbell“, brummte er, „sind alles dumme Heiden.“ Zauberei war nach seiner Ansicht nicht unbedingt auszuschließen. „Wahr scheinlich hat sie dich verhext. Du hattest doch sonst immer deine Sinne beieinander. Also gut, bring dieses Campbellmädchen zu mir“, entschied er schließlich. „Der Sache will ich auf den Grund gehen.“
Nur mit Mühe konnte Alan das Lachen unterdrücken. Seine gute Laune war vollkommen wieder hergestellt. „Ich werde sie fragen.“
„Fragen? Was soll das denn heißen? Du bringst sie her, das ist ein Befehl.“
Alan stellte sich Shelby und seinen Vater zusammen
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