Zwischen Macht und Verlangen
Umständlich zündete er sich eine lange, dünne Zigarre an. „Es würde Ihren Rücken mächtig stärken, wenn Sie sich entschließen sollten, Ihren Hut in den Ring zu werfen.“
Alan nahm einen Schluck und beobachtete Shelby dabei. „Für derartige Pläne dürfte es noch zu früh sein, Leo.“
„Nein, und Sie wissen es genau.“ Leo blies Rauchringe zur Decke.
„Ich selbst habe mich nie an diesen ganz bestimmten Ren nen beteiligt“, fuhr Leo fort. Dabei sah er Alan nicht an, und niemand hätte erkennen können, worüber die beiden Männer sprachen. „Aber Sie sollten das tun. Eine Menge Leute würden Sie tatkräftig unterstützen, wenn Sie das Zeichen geben.“
Alan drehte sich zu dem Älteren um. „Ich habe davon gehört“, – er war vorsichtig in der Wahl seiner Worte –, „und ich erkenne es an. Aber ein solcher Entschluss muss reiflich überlegt werden.“
„Vielleicht kann ich Sie ein wenig beeinflussen, wenn ich offen mit Ihnen spreche, denn von den anderen Leuten, die eventuell für eine Kandidatur in Frage kämen, bin ich ganz und gar nicht begeistert.“ Leo sprach noch leiser und näher an Alans Ohr. „Ihre Laufbahn ist eindrucksvoll, wenn manch einer Sie auch als ein wenig zu liberal bezeichnet.
Sie haben gute Arbeit im Kongress geleistet, und als Senator klappt es noch besser. Ich will nicht in Einzelheiten gehen, momentan ist Ihr Image wichtig.“
Leo zog heftig an seiner Zigarre. „Ihre Jugend ist von Vorteil, dadurch haben wir reichlich Zeit. Ihre Ausbildung war einwandfrei und umfassend, auch die sportlichen Erfolge passen gut hinein; Das Volk mag es, wenn der erste Mann an der Spitze in jeder Beziehung eine gute Figur macht. Der familiäre Hintergrund ist sauber und solide. Auch die Tatsache, dass Ihre Mutter als Chirurgin äußerst erfolgreich ist, kommt Ihnen zugute.“
„Mutter würde sich freuen, das zu hören“, meinte Alan trocken.
„Tun Sie nicht so, als wüssten Sie es nicht selbst. Verständnis für berufstätige Frauen bringt einen ganzen Sack voll an Wählerstimmen. Ihr Vater ist bekannt dafür, dass er seine eigenen Wege geht, aber fair und ehrlich. Es ist kein Wespennest auf Ihrem Dachboden versteckt.“
„Leo …“ Alan drehte das Eis in seinem Glas und sah dem Minister direkt in die Augen, „wer hat Sie beauftragt, mit mir zu sprechen?“
„Außerdem sind Sie schnell von Begriff!“ Der Minister verzog keine Miene. „Wollen wir es mal so nennen: Man hat mich gebeten, ein Gespräch mit Ihnen zu suchen.“
„Nun gut! Dann möchte ich grundlegend feststellen, dass ich die Möglichkeit nicht ausschließe, mich für das höchste Amt zu bewerben.“
„Sehr gut.“ Leo nickte in Shelbys Richtung. „Ich persönlich mag das Mädchen gern. Wird sie aber für Sie von Vorteil sein? Ich hätte mir Sie beide nie als Paar vorstellen können.“
„Oh!“ Alan blieb ruhig, aber er zog die Augen ein wenig zusammen.
„Campbeils Tochter – sie kennt die Regeln, schließlich war sie schon als Kind bei seinen Wahlreisen dabei.“ Leo wog in Gedanken das Für und Wider ab. „Shelby ist mit Politik aufgewachsen, man braucht ihr nichts beizubringen, was Protokoll und Diplomatie angeht. Allerdings ist sie eine Einzelgängerin.“ Er streifte sorgfältig die Asche ab. „Seit Jahren macht sie die gesellschaftliche Szene in Washington unsicher, sie hat viele Freunde – mich zum Beispiel –, hat aber auch einigen Leuten kräftig auf den Zeh getreten.“
Leo zog genussvoll an seiner Zigarre, während Alan beharrlich schwieg. „Wahrscheinlich könnte man ihr die scharfen Kanten etwas abschleifen“, fuhr der Staatsmann fort. „Sie ist jung und intelligent. Ihre Erziehung und die Familie sind tadellos, attraktiv ist sie auch und nicht eitel. Sie ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Vor allem kann sie mit Menschen umgehen. Eigentlich eine ausgezeichnete Wahl – vorausgesetzt, Sie können sie sich hinbiegen.“
Alan stellte sein Glas auf den Tisch, am liebsten hätte er es an die Wand geschmettert. „Shelby ist nicht als Trumpfkarte gedacht!“ Seine Stimme war eiskalt, aber vollkommen unter Kontrolle.
Eingehend betrachtete Leo die Spitze seiner Havanna. Jetzt habe ich einen Nerv berührt, dachte er. Aber er war mit Alans beherrschter Reaktion äußerst zufrieden. Ein Hitzkopf an der Spitze der militärischen Streitkräfte ist nicht tragbar.
„Natürlich haben auch Sie ein gewisses Anrecht auf Pri vatleben“, sagte er. „Aber wenn Sie endgültig entschlossen
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