Zwischen Mond und Versprechen
du meinst ein Buch. « Ich sah mir den Zettel von Pietr an. Biologie. Familie der Hunde. Bestimmt superinteressant. » Schau ich mir vielleicht mal auf Blu-ray an « , sagte ich und stand auf. Wahrscheinlich hatte ich sämtliche Bibliophile auf der Welt beleidigt. Bibliophile? Nanu. Danke, Sarah.
» Willst du Dad nicht doch bitten aufzulegen? Etwas Langsames vielleicht « , zog sie mich auf. » Ich könnte mir vorstellen, dass Pietr ein guter Tänzer ist. «
» Das müssen andere herausfinden! « , rief ich im Gehen und stieg die Treppe zu meinem Zimmer hinauf.
Ich war noch nicht weit gekommen, als Annabelle Lee hinter mir her rief: » Du, da draußen ist irgendwas los! «
Ich schoss die Treppe hinunter und hörte außer dem Poltern meiner Füße ein Bellen. Lautes Hundegebell. Ich schlüpfte in meine Gummistiefel.
Annabelle Lee stand an der Tür, ihr Gesicht eine Mischung aus Angst und Spannung. » Ich weiß nicht, was da draußen los ist, aber ich glaube, Hunter und Maggie sind in ernsthaften Schwierigkeiten. «
Ich zog meine Jacke an und Annabelle Lee reichte mir die Taschenlampe. Ich machte die Tür auf und trat hinaus, aber da packte sie mich am Arm und zog mich wieder hinein.
» Du willst doch nicht wirklich da raus? Ruf doch die beiden einfach zurück! «
» Maggie ist zu blöd, auf Befehle zu hören, wenn sie einmal etwas entdeckt hat– das weißt du doch. Und so schlimm wird es nicht sein… « Ein Schauer jagte mir über den Rücken und strafte mich Lügen. Ich dachte an das Untier bei der Scheune. Aber das war nur ein Hund gewesen, oder? Lieber Gott, hoffentlich.
Der Regen prasselte mit ohrenbetäubendem Trommeln hernieder und zerriss den starken Strahl der Taschenlampe in silberne Wasserschlieren. Ich ließ meinen Blick über den großen Hof schweifen und schrie: » Hunter! Maggie! «
Das Bellen verstummte.
» Wahrscheinlich waren sie nur hinter einer Maus her. Oder einem Waschbär. « Ich seufzte. » Oder einem Stinktier, wenn wir Pech haben. Jedenfalls haben sie mit dem Bellen aufgehört. « Als ob das eine Beruhigung wäre. » Wahrscheinlich fressen sie jetzt das, was es war. «
» Oder werden gefressen « , flüsterte Annabelle Lee.
» Du bist eine echte Pessimistin « , maulte ich.
» Das sagst ausgerechnet du. «
Der Regen ließ nach. Er dämpfte noch die Geräusche der Nacht, übertönte sie aber nicht mehr.
» Maggie! Hunter! «
Keine Antwort.
» Willst du wirklich da hinaus? «
» Begleitest du mich ein Stückchen? «
» Heilige Scheiße, nein. « Sie schlüpfte wieder ins Haus.
Wie schön, so viel Unterstützung zu erfahren. Auf der untersten Stufe der Veranda, noch unter dem Dachvorsprung, suchte ich noch einmal den Hof mit der Taschenlampe ab. Nichts. Das Scheinwerferlicht zwischen den Scheunen und dem Haus gab auch keinen Aufschluss über den Verbleib meiner Hunde.
In diesem Augenblick erschien Annabelle Lee wieder unter der Haustür, in der Hand einen dicken Spazierstock. » Nimm wenigstens den. «
» Gute Idee. « Damit konnte ich kräftig zuschlagen, wenn nötig. Ich zog die Kapuze über und verließ den Schutz des Vordachs, leuchtete aber die ganze Zeit den Hof mit der Taschenlampe ab. » Hunter! Maggie! «
Nichts.
Ich stapfte durch Pfützen und Matsch und war fast bei der Scheune angelangt, als ich es hörte: ein Knurren, das tiefer klang als jeder Laut, den Hunter jemals von sich gegeben hatte.
Der Strahl meiner Taschenlampe fiel auf die beiden Hunde, sie hatten ihre nassen Körper dicht an den Boden gepresst, ihr Nackenfell stand steil nach oben, ihre Köpfe waren dem Geräusch zugewandt. Mich bemerkten sie gar nicht.
Im Gegensatz zu ihm.
Der weiße Lichtstrahl meiner Lampe traf auf leuchtende rote Augen– vor Schreck blieb mir fast die Luft weg. Es waren die Augen eines Raubtiers– und sie befanden sich in einer Höhe, gegen die meine Hunde wie Zwerge aussahen. Es hatte einen zotteligen, schweren Kopf, dessen Farbe sich mit dem Matschbraun zu seinen Füßen vermischte. Ich wusste, dass es sich nicht um das Untier mit dem rötlichen Fell handeln konnte, das kürzlich bei der Scheune und dem Brombeergestrüpp sein Unwesen getrieben hatte. Und ein Hund war es definitiv auch nicht…
Fauchend sprang es in die Höhe, setzte über die Hunde und kam direkt auf mich zu. Die Taschenlampe fiel zu Boden, Matsch spritzte auf. Ich hob den Spazierstock und holte aus. Riesige Pranken krallten sich in meine Schultern und drückten mich zu Boden. Im Fallen traf der
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