Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars
Fall: Was würde Darcy tun, wenn sie mein spezielles Versteck und den Inhalt meiner speziellen Kassette fände? Ich habe dieses Kästchen übrigens immer geliebt, weil du es mir geschenkt hast.«
Er beugte sich vor und drückte ihr rasch einen Kuss auf die Stirn. Seine Lippen waren feucht. Zum ersten Mal in ihrem Leben erfüllte diese Berührung ihrer Haut sie mit Abscheu, und ihr kam in den Sinn, dass sie tot sein könnte, bevor die Sonne aufging. Weil tote Frauen nichts ausplauderten.
Allerdings, dachte sie, würde er möglichst dafür sorgen, dass ich nicht »leide«.
»Als Erstes habe ich mich gefragt, ob der Name Marjorie Duvall dir etwas sagen würde. Als Antwort auf diese Frage hätte ich mir ein großes altes Nein gewünscht, aber manchmal muss man Realist sein. Du bist nicht der größte Nachrichtenjunkie der Welt, aber ich habe lange genug mit dir zusammengelebt, um zu wissen, dass du die wichtigsten Meldungen im Fernsehen und in der Zeitung verfolgst. Ich habe angenommen, dass du den Namen oder zumindest das Führerscheinfoto erkennen würdest. Außerdem habe ich mich gefragt: Wird sie nicht neugierig sein, wie ich zu diesen Ausweiskarten gekommen bin? Frauen sind immer neugierig. Sieh dir Pandora an.«
Oder Blaubarts Frau, dachte Darcy. Die Frau, die einen Blick in den abgesperrten Raum warf und darin die abgeschlagenen Köpfe aller ihrer Vorgängerinnen entdeckte.
»Bob, ich schwöre dir, dass ich keine Ahnung habe, wovon du re…«
»Also habe ich nach meiner Ankunft als Erstes deinen Computer hochgefahren, Firefox geöffnet - das ist der Browser, den du immer benutzt - und mir den Verlauf angesehen.«
»Den was?«
Er schmunzelte, als wäre ihm eine besonders witzige Pointe gelungen. »Du weißt nicht einmal, was ich meine. Das habe ich mir gedacht, denn bei jeder Kontrolle war immer alles da. Du löschst ihn nie !« Und er schmunzelte erneut, so wie es ein Mann tat, wenn eine Frau eine Eigenschaft bewies, die er besonders liebenswert fand.
Darcy spürte die ersten schwachen Zornregungen. Unter diesen Umständen vielleicht absurd, aber trotzdem deutlich spürbar.
»Du kontrollierst meinen Computer ? Du Schnüffler! Dreckiger Schnüffler!«
»Natürlich kontrolliere ich ihn. Ich habe einen sehr bösen Freund, der sehr schlimme Dinge tut. Ein Mann in meiner Lage muss auf dem Laufenden bleiben, was seine private Umgebung betrifft. Seit die Kinder aus dem Haus sind, besteht sie nur noch aus dir.«
Ein böser Freund? Ein böser Freund, der schlimme Dinge tat? Ihr schwindelte, aber eines war ihr nur allzu klar: Weiteres Leugnen wäre zwecklos gewesen. Sie wusste Bescheid, und er wusste, dass sie es wusste.
»Du hast dich nicht nur über Marjorie Duvall informiert.« In seiner Stimme hörte sie weder Schuldbewusstsein noch Rechtfertigungsversuche, sondern nur ein grausiges Bedauern darüber, dass es so weit gekommen war. »Du hast dich über alle informiert.« Dann lachte er und sagte: »Hoppla!«
Sie setzte sich auf und lehnte sich ans Kopfende des Betts, wodurch sich der Abstand zu ihm leicht vergrößerte. Das war gut. Abstand war gut. In all diesen Jahren hatte sie Hüfte an Hüfte, Schenkel an Schenkel mit ihm gelegen, aber jetzt war Abstand gut.
»Welcher böse Freund? Von wem redest du überhaupt?«
Er legte den Kopf schräg, Bobs Körpersprache für: Du bist begriffsstutzig, aber auf niedliche Weise. »Brian.«
Anfangs hatte sie keine Ahnung, von wem er sprach, und vermutete, das müsse ein Arbeitskollege sein. Vielleicht ein Komplize? Auf den ersten Blick erschien das kaum wahrscheinlich, denn sie hätte behauptet, Bob habe so wenig Talent dafür, Freunde zu gewinnen, wie sie selbst, aber Männer, die solche Verbrechen begingen, hatten manchmal Komplizen. Schließlich jagten auch Wölfe in Rudeln.
»Brian Delahanty«, sagte er. »Erzähl mir bloß nicht, dass du Brian vergessen hast. Ich habe dir alles über ihn erzählt, nachdem du mir erzählt hast, was Brandolyn zugestoßen ist.«
Ihr stand der Mund offen. »Dein Freund aus der Highschool? Bob, der ist tot! Er ist unter einen Lastwagen geraten, als er einen Baseball fangen wollte, und jetzt ist er tot !«
»Nun …« Bobs Lächeln wurde zaghaft. »Ja … und nein. Ich habe ihn fast ausschließlich Brian genannt, als ich dir von ihm erzählt habe, aber in der Schule habe ich ihn anders angesprochen, weil er seinen Vornamen gehasst hat. Ich habe ihn mit seinen Anfangsbuchstaben angesprochen. Ich habe ihn BD genannt.«
Sie wollte
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