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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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sechzehn.“
    „Wie ist er an die Waffe gekommen?“, fragte Leslie. Mario zuckte die Achseln.
    „Ich weiß es nicht. Wirklich“, sagte er, doch Leslie hatte das Gefühl, dass er das sehr wohl wusste.
    „Woher weißt du davon?“, fragte er nach einer Weile des Schweigens. „Hat er dir etwa davon erzählt?“ Er sah nicht so aus, als würde er das von Raffaello erwarten. Sie schüttelte den Kopf.
    „Anne …, meine beste Freundin hat etwas darüber im Internet gefunden“, gestand sie kleinlaut. Was hätte sie auch sagen sollen? Mario schien einer der wenigen Menschen zu sein, die eine Lüge auf zehn Kilometer Entfernung erkennen konnten – und sie war nie gut gewesen im Lügen. Wozu also Kopf und Kragen riskieren und Marios Freundschaft aufs Spiel setzen?
    „Ihr habt nach ihm gegoogelt?!“, entfuhr es Mario beinahe entsetzt. Aber Leslie schüttelte hastig den Kopf.
    „Nicht ich“, sagte sie schnell.
    „Deine Freundin?“
    „Hm“, machte sie kleinlaut. Fast schämte sie sich ein bisschen. Aber auf der anderen Seite fühlte sie sich, als habe sie Anne verraten. Und es tat ihr leid, dass sie es einfach so erzählt hatte. Was, wenn das Ganze doch mehr von Bedeutung war, als sie bisher angenommen hatte? Unsinn, dachte sie, ich fange ja schon an, wie Anne!
    „Es steht viel über ihn im Internet“, sagte Mario plötzlich. „Und nicht nur über ihn. Du solltest selbst entscheiden, was du glauben willst und was nicht.“ Todernst hatte er das gesagt. Und es bildete einen unangenehmen Kontrast zu dem, was sie bis jetzt versucht hatte sich einzureden. Aber was ihr am meisten Unbehagen bereitete, war, dass Mario die ganzen Geschichten nicht abstritt. Dass er es nicht ausschloss, aber auch nicht gestand. Nicht direkt jedenfalls. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass es schlauer wäre, doch nicht mehr nach all dem zu fragen. Mario schien es ebenso zu betreffen, wie Raffaello. Eine plötzliche Kälte kroch ihre Unterarme hinauf und die feinen Härchen auf ihrer Haut stellten sich auf. Schwachsinn, schalt sie sich selbst, es gibt keinen Grund, sich unwohl zu fühlen! Vorsichtig schielte sie zu Mario hinüber. Er musterte sie von der Seite.
    „Habe ich dich erschreckt?“, fragte er besorgt. Himmel, der Mann konnte einem wirklich alles an der Nasenspitze ablesen. Gruselig. Sie schüttelte den Kopf.
    „Nein“, sagte sie.
    „ Va bene “, entgegnete Mario, doch in seiner sonst so fröhlichen Stimme schwang eine Ernsthaftigkeit mit, die sie vollkommen verunsicherte. Er benahm sich genauso, wie vorhin, als Raffaello ihm von dem Anruf erzählt hatte. Plötzlich wurde sie doch neugierig.
    „Du musst wissen“, sagte Mario, „dass Einiges der Wahrheit entspricht, anderes dagegen vollkommener Unsinn ist, Leslie.“ Sie schluckte. Und musste plötzlich an den Versicherungsbetrug und die Steuerhinterziehung denken, wovon Mr. Gosetti ihr im vergangenen Sommer erzählt hatte. Half ihr das weiter? Nein. Was um Gottes Willen von all den verschiedenen Anschuldigungen und Behauptungen war nun wahr? Und was nicht?
    „Dass sein Vater auf der Straße –“
    “– niedergeschossen wurde?“, fragte Mario, und dabei sah er noch ernster aus, als eben. „Ja, das stimmt.“ Großer Gott! Leslie fragte gar nicht weiter nach. Mit einem Mal spürte sie, dass sie das alles eigentlich gar nicht wissen wollte. Plötzlich hatte sie keine Lust mehr, den ‚ Paten ‘ anzusehen.
    „Das muss hart für ihn gewesen sein“, murmelte sie und kam sich dabei vor, wie in irgendeinem dämlichen Film. Mario seufzte.
    „ Sì “, sagte er, „sehr hart. Er spricht nicht gerne darüber.“ Das hatte sie allerdings gemerkt. Sie schwiegen und sahen zu, wie Tom Hagen damit beauftragt wurde, nach Kalifornien zu reisen, um die Rolle für Johnny Fontane herauszuhandeln. Die Szene mit dem abgeschlagenen Pferdekopf hatte sich Leslie immer angeschaut, doch jetzt wandte sie den Blick von dem breiten Fernseher ab und schaute auf ihre Hände. Der erste Teil war bald zu Ende und Mario legte nach Leslies Einwilligung auch den Zweiten ein. Gerade machte Marlon Brando einem Anzugtypen ein ‚Angebot, das er nicht ablehnen‘ konnte, als Leslie hörte, wie jemand einen Schlüssel im Schloss der Eingangstür herumdrehte. Schritte ertönten im dunklen Flur, doch niemand schaltete das Licht in der Küche ein – und dann erschien Raffaello, eingehüllt in dunkle Schatten, im Türrahmen zum Wohnzimmer.
    „Da bist du ja endlich!“, begrüßte Mario ihn.

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