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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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nutzte sie aus, um all die wirren Gedanken und Gefühle loszuwerden, die in ihr tobten, und fast war es ihr, als hätte ihr Gespräch eben gar nicht stattgefunden.
    Gegen Nachmittag beschloss Raffaello, dass es an der Zeit war, Leslie nach Hause zu bringen und fast schon enttäuscht zog sie ihr Kleid wieder an, packte ihre Sachen und dann fuhren sie mit dem kleinen Motorboot wieder zurück zum Strand. Im Auto lief dieses Mal keine Musik, es herrschte ein unangenehmes Schweigen, bis Leslie sich traute zu fragen, worüber sie schon die ganze Zeit lang nachgedacht hatte.
    „Hättest du mich denn wirklich geküsst?“
    „Wann?“, fragte er.
    „Vorhin.“ Aber er schüttelte den Kopf. Fast war sie enttäuscht.
    „Wenn ich nicht gewusst hätte, dass das Personal Augen und Ohren aufgesperrt hat, als es mich mit dir gesehen hat, dann ja.“
    „Oh“, machte sie – und plötzlich war sie froh darüber, dass er sich aufs Fahren konzentrieren musste, ansonsten hätte sie wohl Angst bekommen, er könne es jetzt tun. Stumm blickte sie aus dem Fenster, spürte den warmen Fahrtwind, der ihre Haare zerzauste, und fühlte sich mit einem Mal beängstigend wohl neben Raffaello. Doch sie nahm dieses Gefühl hin, ohne dass es sie in Panik versetzte.
    Raffaello ließ andere Autos schnell hinter sich und bald bog er auf die holprige Landstraße ab, die zu Leslies und Annes Ferienhaus führte. Und in diesem Moment fasste Leslie einen Entschluss.
    „Halt an“, sagte sie nur – und er trat überrascht auf die Bremse.
    „Was ist?“, fragte er besorgt, aber da hatte sie sich schon zu ihm herüber gebeugt und ihn auf die Wange geküsst. Völlig verdattert sah er sie an, so überrascht, dass sie lachen musste.
    „Danke für den Ausflug heute“, sagte sie und dann stieg sie aus dem Auto, nahm ihre Tasche und ging den Rest der Auffahrt zu Fuß. Als sie sich an der Haustür umblickte, stand der schwarze Maserati noch immer dort, wo er angehalten hatte und sie konnte Raffaellos verwirrte Blicke förmlich spüren. Der Arme. Vielleicht hätte sie das nicht tun sollen? Egal, dachte sie. Sie fühlte sich so fröhlich und unbeschwert, wie lange nicht mehr. Bis sie darüber nachdachte, was der Kuss auch für sie bedeutet hatte.

26
    Eine ganze Woche lang meldete Raffaello sich nicht. Er schrieb ihr noch nicht einmal eine SMS und Leslie begann, sich elend und schuldig zu fühlen, weil sie ihm diesen dämlichen Kuss auf die Wange gedrückt hatte. Sie hätte es nicht tun sollen. Absolut nicht. Jetzt hab’ ich ihn vergrault, dachte sie kläglich, Mist! Aber ganz tief in ihr tummelte sich das Gefühl, dass sie das Richtige getan hatte. Wahrscheinlich hatte er das nur nicht von ihr erwartet. Sie war ja selbst überrascht über ihr Handeln gewesen. Was, wenn er wütend auf sie war? Was, wenn er ihr vorwarf, egoistisch zu sein und nur mit seinen Gefühlen zu spielen? Scheiße, dachte sie, scheiß Verliebtsein. Und dann noch einige andere Flüche, die kein bisschen damenhaft waren. Denn jetzt musste sie sich wirklich mit der beunruhigenden Tatsache auseinandersetzen, dass sie sich wieder in Raffaello verliebt hatte. Einfach so. Ohne Vorwarnung hatte sie dieses Gefühl überfallen und sie ziemlich erschreckt.
    Am Montagmorgen begleitete sie Anne nach Palermo – Anne hatte sich von Antonio eine neue Vespa geliehen – wo sie in Albertos Pizza Express zusammen mit Antonio eine riesige Pizza verspeisten. Sogar Leslie aß zwei der großen Stücke. Antonio erwies sich als ausgesprochen hilfsbereit, als Leslie ihm vorjammerte, dass sie nicht wisse, wie zum Henker sie die kleine Schnecke, die sie von Raffaello bekommen hatte – natürlich erwähnte sie das nicht – an ihrer Kette befestigen sollte, und Antonio bedeutete ihr, mit ihm in das Zimmer hinter der Küche zu kommen, wo Alberto allerlei nützlichen Kram aufbewahrte. Von scharfen Messern für die Pizzen bis hin zu alten Deckenlampen, die man vielleicht noch einmal gebrauchen konnte. Antonio witzelte über diese Marotte seines Chefs, aber er war ihm dankbar, dass er ihn bei sich eingestellt hatte, wo er doch bei so vielen anderen Jobs abgeblitzt war und nur Absagen bekommen hatte. Doch immer, wenn Leslie ihn nach dem Grund fragte, warum er gefeuert worden war, blockte er ab, was ihre Neugier nicht gerade minderte.
    Antonio griff nach einem winzigen Bohrer und einem Metallhäkchen, dann machte er sich daran, ganz vorsichtig ein Loch in die Schnecke zu bohren. Leslie stand daneben und schaute

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