Zwischen Olivenhainen (German Edition)
richtig“, murmelte Leslie.
„Großartig“, seufzte Serafina. „Ich werde ihm ausrichten, dass er es dir beibringen sollte, wenn er nicht will, dass du dich aus Versehen selbst erschießt.“ Leslie schluckte.
„Kannst du es denn?“, fragte sie vorsichtig.
„Ich?“, sagte Serafina. „Schießen? Natürlich! Ich bin in einer Mafiafamilie aufgewachsen, da bekommt man so ein Ding praktisch in die Wiege gelegt.“
„Oh“, machte Leslie ironisch, „muss ja toll sein.“
„Man gewöhnt sich dran. Ich kenne es nicht anders.“ Ganz kurz versuchte Leslie, sich vorzustellen, wie es wohl war, in einer stinkreichen Mafiafamilie aufzuwachsen, die einem von Anfang an jeden Wunsch von den Augen ablas und wild in der Gegend herummordete. Sie schauderte. Eine besonders verlockende Vorstellung war das nicht gerade.
Es war schon spät am Abend, als Leslie und Serafina wieder den Palazzo erreicht hatten. Keine Menschenseele war im Hof zu sehen, nur einige Fenster waren erleuchtet, hinter denen Leslie die dunklen Umrisse von Raffaellos Leuten erkennen konnte. Womöglich war er auch selbst darunter. Sie seufzte. Wahrscheinlich würde sie ihn heute nicht mehr sehen. Das war’s dann wohl mit „Bis nachher, Leslie.“
Sie bekam Raffaello tatsächlich nicht mehr zu Gesicht an diesem Abend, also beschloss sie, früh schlafen zu gehen und wütend auf diese Anzugheinis zu sein, die ihn daran hinderten, zu ihr zu kommen. Sie hatte gerade die Augen geschlossen, da riss sie das laute Klingeln ihres Handys aus dem Halbschlaf. Verwirrt setzte Leslie sich auf und tastete nach dem nervigen Ding auf dem Nachtschrank.
„Leslie!“, kreischte Anne ihr ins Ohr. Leslie hielt den Hörer ein Stück weit von ihrem Ohr weg.
„Hallo, Anne“, nuschelte sie. Verflucht, warum musste Anne auch gerade jetzt anrufen? Sie war hundemüde.
„Wir wissen, wo du bist!“, rief Anne aufgeregt. Leslie stutzte.
„Wir?“, fragte sie.
„Antonio, ich und … und Gosetti.“ Scheiße.
„Anne“, sagte Leslie, „weißt du eigentlich, was du da tust?!“
„Ja, wir können dich da wegholen!“
„Wir! Ach, verdammt, hör schon auf mit deinem Gosetti-Gerede!“, zischte Leslie. Warum nur wurde sie plötzlich so wütend? Anne meinte es doch nur gut. Sie hatte nichts falsch gemacht. Doch, dachte sie dann, doch, sie hat sich in Raffaellos Angelegenheiten eingemischt und damit sein Vorhaben womöglich zunichtegemacht. Wenn sie Gosetti eingeschaltet hatte. Großer Gott!
„Anne, ich bin freiwillig hier, kapierst du das nicht? Es ist zu meinem Schutz!“ Sie hörte Anne am anderen Ende der Leitung verächtlich schnauben.
„Das hat er dir in den Kopf gesetzt“, sagte sie trocken.
„Hat er nicht!“
„Doch!“ Shit . Das hatte er wirklich. Plötzlich wusste Leslie nicht mehr, ob sie nun hier sein wollte, oder nicht.
„Weißt du eigentlich, dass wir in drei Tagen nach Hause fliegen?“, fragte Anne. Schock.
„Ähm … hatte ich vergessen …“, murmelte Leslie. Verflucht, wie hatte sie nur nicht mehr daran denken können? Wahrscheinlich hatte sie es einfach ausgeblendet. Wegen Raffaello. Plötzlich musste sie sich eingestehen, dass sie die Vorstellung nicht ertrug, ihn verlassen zu müssen.
„Hattest du vergessen?!“, rief Anne aus. „Weiß dein Mafioso, dass du gehen musst?“
„Nein.“
„Dann bring’s ihm bei. Aber nicht schonend. Soll ich das übernehmen?“
„Bloß nicht!“ Nein, dachte Leslie, nein, lass mich verdammt noch mal damit in Ruhe! Und schon spürte sie, wie sie die Verzweiflung übermannte. Wie um alles in der Welt sollte sie es Raffaello sagen? Er würde sie sicher nicht gehen lassen.
„Was soll ich denn jetzt machen, Anne?“, jammerte sie und beinahe war sie daran zu weinen.
„Du meinst, er lässt dich nicht?“, fragte Anne lauernd.
„Nein, ich –“
„Wenn er dich festhält, kommen wir und holen dich! Mit Gosettis Leuten notfalls. Dann ist dein Mafioso dran, wegen Entführung!“
„Wehe, wenn du auch nur irgendetwas unternimmst!“, rief Leslie aufgebracht.
„Was passiert dann?“, fragte Anne herausfordernd. „Wird mir dein Mafiaboss die Hölle heißmachen? Mich umbringen? Hör mal, der Typ hat dich unter Kontrolle – und das macht mir Angst. Aber er kann mir nicht meine beste Freundin nehmen. Das lasse ich nicht zu –“
Leslie legte auf. Sie legte einfach auf und schleuderte ihr Handy quer durch das Schlafzimmer, wo es irgendwo in der Dunkelheit krachend auf dem Boden landete.
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