Zwischen Olivenhainen (German Edition)
dem Eingang parkte – wahrscheinlich hatte er irgendwem angeordnet es bereitzustellen – dann stieg er selbst ein, setzte seine Sonnenbrille auf und startete den Motor.
Tiziano Ferro ertönte aus den Lautsprechern, der angenehm kühle Fahrtwind peitschte Leslie das lange Haar aus dem Gesicht und fast glaubte sie, es wäre alles noch so, wie vor einer Woche. Ohne Killer, ohne Entführung, die eigentlich gar keine gewesen war, ohne Raffaellos Leute und ohne sein mafiöses Verhalten. Sie beugte sich aus dem Fenster, schloss die Augen und genoss den simplen Moment in seinem Auto. Für einen kurzen Augenblick war sie beinahe glücklich.
Die Fahrt führte sie tief ins Landesinnere, sie sausten immer seltener durch irgendwelche Dörfchen, die Landschaft wurde zusehends grüner und hügeliger. Nachdem sie auf einen schmalen Feldweg abgebogen waren, hielt Raffaello den Maserati an. Die Musik endete abrupt und die Stille, die darauf folgte, schien fast noch lauter zu sein. Skeptisch blickte Leslie sich um. Weit und breit war nichts zu sehen, außer grünen Hügeln und einem dichten Acker voller Olivenbäume zu ihrer Rechten. Links erstreckten sich gelbe Felder, die allerdings nicht so aussahen, als pflegte sie jemand regelmäßig. Sie befanden sich ziemlich am Ende der Zivilisation.
„Was jetzt?“, fragte Leslie und schaute zu Raffaello hinüber, der sie amüsiert musterte.
„Wir sind da“, sagte er.
„Wo? Am Arsch der Welt?“
„ Sì .“
„Aha …“, machte Leslie. „Und was wollen wir hier?“
„Nimm deine Knarre mit und folge mir“, sagte er nur, stieg aus dem Cabrio und schlenderte langsam auf die Olivenbäume zu. Bevor er in dem dunklen Schatten dazwischen verschwinden konnte, drehte er sich zu Leslie um, die noch immer im Auto saß und ihm nachsah.
„ Avanti “, rief er ihr zu und sie kletterte zögernd aus dem Wagen, hielt die Pistole mit spitzen Fingern von sich, während sie im hohen Gras auf Raffaello zuging. Das trockene Gras stach ihr in die Waden.
„Was hast du vor?!“, kreischte sie entsetzt, als er nun auch seine Pistole aus dem Gürtel zog. Schwarz und bedrohlich lag sie in seiner Hand. Er grinste und ließ das Mordgerät um einen Finger kreisen, wie Leslie es in Filmen oft gesehen hatte.
„Ich werd’s dir beibringen“, sagte er nur, dann ergriff er ihre Hand und zog sie schnurstracks zwischen die dichten Olivenbäume. Es wurde sofort ein wenig kühler im Schatten, aber es dauerte nicht lange und sie erreichten das Ende der Plantage. Offenes, weites Feld erstreckte sich nun vor ihnen. Und in einigen Metern Entfernung stand etwas Rundes. Eine Zielscheibe, wie man sie beim Bogenschießen verwendete. Plötzlich wusste Leslie, was Raffaello vorhatte.
„Nur keine Panik“, sagte er, als er ihren entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte. „Wir werden aus nächster Nähe anfangen. Komm.“ Damit ging er voraus und nach kurzem Zögern folgte Leslie ihm auf den wüstentrockenen Acker. Ihre Füße fanden keinen besonders guten Halt auf den harten Erdbrocken, also zog sie kurzerhand ihre Sandalen aus – was sich als wesentlich schmerzhafter erwies, aber wenigstens bestand nun nicht mehr die Gefahr, sich die Knöchel zu brechen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hopste sie hinter Raffaello her. Scheinbar störte es ihn nicht im Geringsten, dass seine teuren, schwarzen Lackschuhe staubig wurden und einige Kratzer abbekamen. Sie war so sehr damit beschäftigt, sich auf den Boden zu konzentrieren, dass sie beinahe mit Raffaello zusammenstieß, als er stehen blieb. Er blickte kurz hinunter auf ihre Füße, verzog mitleidig das Gesicht, dann richtete er seine Pistole geradewegs auf die Zielscheibe, die in fünf Metern Entfernung vor ihnen auf einem Pflock im Acker steckte – und drückte ab. Leslie fuhr mit einem Aufschrei zusammen. Er hatte getroffen. Sauber und ordentlich mitten insSchwarze. Sie schluckte und schielte unsicher auf ihre Waffe hinunter. Klein und silbern lag sie in ihrer rechten Hand.
„Pass auf …“, sagte Raffaello und nahm sie sanft an den Schultern, um sie in die richtige Position zu bringen. „Du stellst dich so hin, wie ich es dir zeige, o. k.?“ Sie nickte kläglich. Er wandte sich der Zielscheibe zu, streckte die Hand aus, in der er seine Waffe hielt. Dann sah er zu Leslie herüber. Zögernd stellte sie sich genauso hin. Und streckte zitternd ihren rechten Arm aus. Raffaello lächelte amüsiert.
„Nicht so zappeln“, sagte er und nickte mit dem Kopf auf ihre
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