Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Vielleicht war es an der Wand zerschellt. Aber das war Leslie egal. Scheißegal. Zum Teufel mit Anne und ihren elenden Ermittlungen und Warnungen. Zur Hölle mit Gosetti und Antonio. Zur Hölle mit … Raffaello, dachte sie kleinlaut. Wütend ließ sie sich in die weißen Kissen fallen und schloss die Augen. Einfach um nichts zu sehen. Ganz besonders nicht dieses Haus.
„Scheiße“, murmelte sie, „Scheiße.“ Als sie die Augen wieder öffnete, schälte sich ein Schatten aus der Dunkelheit neben ihrem Bett. Sie erschrak sich fast zu Tode. Die Pistole! Verflucht, warum hatte sie sie in ihrer Handtasche gelassen? Der Schatten kam näher, beugte sich zu ihr herunter.
„Leslie“, raunte Raffaello neben ihrem Ohr. Beinahe hätte sie laut aufgeschrien. Aber jetzt atmete sie auf. Erleichtert ließ sie sich zurück in die Kissen fallen.
„Was willst du denn hier?“, sagte sie mit matter Stimme. Raffaello setzte sich auf die Bettkante.
„Ich habe dich vermisst“, sagte er nur.
„Ach?“, machte Leslie, weil ihr nichts Besseres einfiel. Aber sie konnte nicht verhindern, dass ein breites Grinsen über ihr Gesicht huschte.
„Außerdem hab’ ich gehört, dass du dich ziemlich aufgeregt hast“, sagte er leise. „Was war denn los?“ Leslie seufzte.
„Anne hat angerufen“, murmelte sie.
„Schon wieder?“ Sie nickte.
„Die lässt nie locker“, sagte er düster.
„Vielleicht ist das gut so“, sagte Leslie leise.
„Hm“, machte er, „vielleicht …“ Er schaltete die Lampe auf ihrem Nachtschrank ein. Er trug noch immer den pechschwarzen Anzug. Scheinbar hatte er bis eben zu tun gehabt. Fast tat er ihr leid.
„Was wollte sie?“, fragte er beiläufig und spielte mit Leslies Haar herum.
„Sie hat mich daran erinnert, dass mein Urlaub auf Sizilien in drei Tagen endet.“
„Oh“, machte er nur. Eine ganze Weile sagte er keinen Ton. Dann ließ er sich rücklings quer über das breite Fußende des Bettes fallen, lag da in seinem schwarzen Anzug, starrte hinauf zur Decke und gab keinen Mucks von sich.
„Du weißt schon, dass ich das für keine gute Idee halte?“, sagte er irgendwann. Leslie rappelte sich auf und kroch auf dem Bauch zu ihm hin.
„Was?“
„Dich gehen zu lassen.“
„Ich weiß.“ Er seufzte. Und schloss die Augen.
„Lass uns das morgen besprechen“, murmelte er. „Ich denke, ich werde hier auf dem Fußende schlafen müssen. Ich schaffe es nicht mehr bis in mein Zimmer …“ Himmel, war er so müde?
„Was haben die denn mit dir gemacht?“, fragte Leslie. Aber er antwortete nicht. Er war tatsächlich schon eingeschlafen. Sie saß noch eine ganze Weil hellwach da und betrachtete Raffaello. Wenn er schlief, sah er fast aus, als könne er kein Wässerchen trüben.
39
„ Buon giorno “, sagte eine matte Stimme hinter Leslie. Sie war früh am Morgen aufgewacht, und nachdem sie festgestellt hatte, dass Raffaello noch immer tief und fest schlief, war sie so leise sie konnte hinaus auf den Balkon geschlichen und hatte dort gewartet, bis die Sonne ganz aufgegangen war. Jetzt drehte sie sich um und sah ihn auf sich zukommen. Der teure Anzug war vollkommen zerknittert und das pechschwarze Haar stand ihm noch wirrer vom Kopf ab als sonst.
„Auch schon wach?“, entgegnete sie und er grinste. Wenigstens wirkte er nicht mehr so todmüde, sondern geradezu beängstigend hellwach. Seine dunklen Augen blitzten in der gleißenden Morgensonne, als er sich zu ihr herabbeugte und sie küsste. Himmel, sie hatte vergessen, wie umwerfend er war. Hastig klammerte sie sich an seine Schultern, bevor ihre Knie nachgeben konnten.
„Was hältst du von einem Ausflug heute?“, fragte er leise und wickelte sich eine ihrer Haarsträhnen um den Finger. „Nur wir beide?“ Leslie schluckte, brachte keinen Ton heraus, und dann nickte sie.
„Klingt gut“, krächzte sie und versuchte, seinem Hypnoseblick auszuweichen, was ihr allerdings gründlich misslang. „Wohin?“, fragte sie. Er grinste nur.
„Wart’s ab.“ Er wandte sich ab, doch bevor er im Haus verschwand, drehte er sich noch einmal zu ihr um.
„Nimm deine Knarre mit“, sagte er und zwinkerte ihr verschwörerisch zu, dann trat er ins Zimmer. Großer Gott, wozu würde sie das Teil brauchen?!
Zehn Minuten später eilte sie neben Raffaello, der sich noch schnell Jeans und ein schwarzes T-Shirt übergezogen hatte, die breite Eingangstreppe hinunter. Er öffnete ihr nach alter Machoart die Tür seines Cabrios, das direkt vor
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