Zwischen Olivenhainen (German Edition)
einem einzigen, dunklem Fleck verschwammen. Heftiger Wind riss an Leslies Haaren und Kleidern, während sich der Hubschrauber in die Luft erhob.
Als Leslie ihm nachblickte, wie er am leuchtend blauen Himmel immer kleiner wurde, spürte sie die Tränen, die ihr die Wangen hinabliefen, doch sie wischte sie nicht weg. Ihre Hände hatten sich fest in den zarten Stoff von Raffaellos Hemd gekrallt, das sie trug. Nach einer ganzen Weile wusste sie nicht mehr, ob sie den Helikopter noch am Himmel oder nur in ihren Gedanken sehen konnte. Egal. Sie starrte einfach weiter hinauf. Und plötzlich war er weg. Und nichts erinnerte mehr daran, dass Raffaello je hier gewesen war. Bis auf ihre Kette. Und sein Hemd. Anne legte ihr eine Hand auf die Schulter.
„Komm, Leslie“, sagte sie leise. „Wir müssen uns auf den Weg machen. Sonst verpassen wir unseren Flug.“ Leslie widersprach nicht, als Anne sie mit sich ins Haus zog, um ihre Koffer zu holen.
Die 30 Kilometer bis zum Falcone Borsellino Flughafen verbrachte Leslie wie in Trance, blickte unentwegt aus dem Fenster des Lieferwagens und antwortete nur einsilbig auf das, was Anne oder Antonio zu ihr sagten, wenn überhaupt. Keiner der beiden unternahm den Versuch sie aufzumuntern oder abzulenken. Sie ließen sie in Ruhe, wofür Leslie ihnen mehr als dankbar war.
Der Himmel war noch immer makellos blau, als sie vor der Eingangshalle des Flughafens ausstiegen und für einige unsinnige Sekunden bildete Leslie sich ein, einen schwarzen Helikopter dort oben erkennen zu können, der sich aus weiter Ferne in rasender Geschwindigkeit näherte, aber nachdem sie einmal die Augen zusammengekniffen hatte, war da nichts mehr. Nur die sengende Sonne blendete sie. Raffaellos Sonnenbrille blitzte in ihren Gedanken auf. Sie verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf, um die Erinnerung an ihn wenigstens für einige Minuten zu verscheuchen – was ihr nicht im Entferntesten gelang.
Antonio übernahm die Aufgabe, ihre Koffer zu tragen, während Anne sie am Arm nahm und sie hinter sich herzog, auf den Eingang des Flughafens zu. Leslie war nur allzu bewusst, wie dämlich sie aussehen musste, wie sie da so mit leerem Blick neben Anne und Antonio herstolperte, aber im Moment war ihr das vollkommen egal. Antonio begleitete sie bis zur ersten Passkontrolle. Dann umarmte er erst Anne so fest, dass diese aufquiekte und nach Luft schnappen musste – und dann Leslie, aber nur zögerlich, beinahe schon flüchtig.
„Ich werd’ dich vermissen, bella Leslie“, nuschelte er und grinste schief. Leslie rang sich ein Lächeln ab.
„Irgendwann komme ich auf ein Eis vorbei“, sagte sie leise und Antonio umarmte sie ein zweites Mal, dieses Mal fester.
„ Arrivederci “, sagte er. „Du kannst mir ja schreiben, wenn du willst.“ Hoffnungsvoll sah er zu ihr hinunter. „Du darfst mich auch mit deinem Kummer wegen Ruggiero volllabern, wenn es das besser macht.“
Leslie nickte zögernd. Vielleicht würde sie das wirklich tun. Aber nur vielleicht. Dann blieb Antonio hinter Anne und Leslie zurück, als sie eingecheckt und ihr Gepäck aufgegeben hatten. Er winkte ihnen noch eine ganze Weile nach und Leslie und Anne winkten zurück, bis ihnen die Arme wehtaten, dann machten sie sich auf den Weg zum Sicherheitscheck.
Eine Stunde später hatten sie jegliche Kontrollen hinter sich gebracht und Anne saß neben Leslie auf einem der schwarzen Sessel im Wartebereich ihres Gates und verschlang hungrig einen Schokomuffin, den sie sich bei Starbucks gekauft hatte. Leslie wurde schlecht, wenn sie nur hinsah. Was sie wahrscheinlich ihrer Stimmung zu verdanken hatte, die sich noch immer auf dem Tiefpunkt befand. Lustlos blätterte sie eine italienische Zeitung durch, die irgendjemand, der vor ihr auf diesem Platz gesessen hatte, dort liegen gelassen hatte. Als sie die letzte Seite aufschlug, stach ihr ein Name deutlich ins Auge: R. Ruggiero. Mehr konnte sie nicht entziffern. Doch weit und breit war kein Foto abgebildet und dann schalt sie sich selbst für ihren naiven Hoffnungsschimmer, es könne tatsächlich Raffaello damit gemeint sein. Es gab sicher etliche Leute, die so hießen. Sie faltete die Zeitung zusammen und ließ sie in den Mülleimer fallen, der gleich neben ihrem Sitz stand.
„Hast du deine Mom schon angerufen?“, fragte Anne irgendwann mit vollem Mund. Leslie verdrehte die Augen.
„Wieso?“, entgegnete sie trotzig. „Ich bin achtzehn! Ich muss ihr nicht Bescheid sagen, ob oder wann ich nach Hause
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