Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Zeitlupentempo treffen konnten, ertönte ein gellender Schrei hinter ihnen und im nächsten Augenblick wurde Leslie von Raffaello fortgerissen und Anne schloss sie so fest in die Arme, dass ihr jegliche Luft aus ihrer Lunge gepresst wurde.
„Leslie!“, schrie Anne, „Leslie!“ Eine ganze Weile kreischte sie immer wieder ihren Namen, dann ließ sie sie los, hielt sie eine Armeslänge von sich entfernt, rümpfte die Nase, als sie bemerkte, dass Leslie Raffaellos blaues Hemd trug, und schloss sie dann wieder in die Arme.
„Ohgottohgottohgottohgott, ich hab’ dich vermisst“, nuschelte sie ihr ins Ohr. „Ich hab’ dich so vermisst!“
„Mmmmmmmh“, konnte Leslie nur machen, das Gesicht unfreiwillig in Annes blondem Haar vergraben. Sie pustete sich die Strähnen aus dem Gesicht.
„Ich hatte solche Angst um dich“, setzte Anne hinzu, dann ließ sie Leslie endlich los. „Ich hab’ deine Sachen schon gepackt“, sagte sie mit einem hastigen Blick über die Schulter auf Raffaello, der nun betont langsam und mit äußerst finsterem Gesichtsausdruck auf sie zukam.
„Antonio wird uns gleich zum Flughafen fahren“, sagte Anne. Leslie blickte zu Antonio herüber, der sich dezent im Hintergrund gehalten hatte, nun aber auf sie zu trat, genau in dem Moment, als Raffaello bei ihnen ankam.
„Ich bin froh, dass es dir gut geht“, sagte er, schloss Leslie in die Arme – nicht ohne Raffaello einen provozierenden Blick zuzuwerfen, und dann drückte er ihr sogar noch einen Kuss auf die Wange. Peinlich berührt wandte Leslie sich ab, wich einen Schritt zurück und stolperte geradewegs gegen Raffaello, der ihr von hinten beide Arme um die Schultern legte. ‚ Von Mario ‘, glitzerte auf dem goldenen Anhänger an seinem Armband in der Sonne zu Leslie herauf, seine Nähe brachte sie beinahe um den Verstand und dann fiel ihr siedend heiß ein, dass sie sich nicht von Mario verabschieden konnte. Doch sie brachte es nicht über sich, Raffaello zu fragen, ob sie ihn anrufen durfte.
Ein kühles Schweigen lag in der Luft, Antonio starrte Raffaello verbissen an, der erwiderte seinen Blick nur herablassend, Anne schaute von Leslie zu Raffaello – und Leslie wich jedem Blick aus, der ihr begegnete, und sah hinunter auf Raffaellos gebräunte Hände, die er vor ihrer Brust verschränkt hatte. Jetzt ließ er sie jedoch los und versenkte die Fäuste in seinen Hosentaschen, stand aber noch immer so dicht hinter ihr, dass ihr Rücken seine Brust berührte.
„Damit seid ihr also hergekommen“, bemerkte Anne spitz und wies mit dem Kopf in Richtung des Helikopters. „Nicht besonders einfallsreich, wenn du mich fragst, Mafioso. In den Filmen machen die das alle so.“ Ein spöttisches Lächeln spielte um Raffaellos Mundwinkel. Er antwortete nicht.
„Aber danke“, sagte Anne dann.
„Meinst du mich?!“, entgegnete Raffaello verblüfft. Anne nickte.
„Dafür, dass du Leslie heil wieder hergebracht hast.“ Sie schien es sogar ernst zu meinen. Aber vielleicht war es auch nur die Schadenfreude, weil sie genau wusste, dass Raffaello Leslie nicht mehr wiedersehen würde, die sie so versöhnlich stimmte.
„Nichts zu danken“, erwiderte Raffaello kühl, dann wandte er sich Leslie zu.
„Ich … sollte mich jetzt verabschieden“, sagte er und plötzlich klang seine Stimme belegt.
„Das wäre ratsam!“, bemerkte Antonio, schrumpfte aber sogleich in sich zusammen unter dem eiskalten Blick, mit dem Raffaello ihn bedachte. Raffaello blickte Leslie fest in die Augen.
„Leslie“, fuhr er fort und ein letztes Mal brachten seine tiefbrauen Augen sie beinahe um den Verstand, „ich … werde dich wirklich vermissen.“ Mehr sagte er nicht. Er zog sie auch nicht an sich, um sie zu küssen, was sie ehrlich gesagt gehofft hatte, sondern strich ihr nur mit dem Daumen über die Wange, drückte ihr einen Kuss auf die Haare und trat dann einen Schritt von ihr zurück.
„Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder“, sagte er, lächelte ihr zu, nickte knapp in Annes Richtung, schenkte Antonio ein herablassendes Lächeln und setzte seine Sonnenbrille auf. Dann drehte er sich um und ging mit großen Schritten auf den Helikopter zu, dessen Pilot schon startklar im Cockpit saß, und im nächsten Augenblick war er im Inneren des schwarzen Ungetüms verschwunden. Durch die dunkel getönten Scheiben konnte Leslie ihn nicht mehr erkennen. Die Rotorblätter fingen laut knatternd an sich zu drehen, schneller, immer schneller, bis sie zu
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