Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Tages:
„Anschlag auf R. Ruggiero –
überlebt der Mafiaboss die Erniedrigung? “
„Offenbar ist selbst die Presse der Meinung, er sei ein wenig zu sehr von sich selbst überzeugt …“, murmelte Gosetti und lachte leise vor sich hin, bevor er neben sich auf den Stuhl klopfte.
„Setz dich doch.“
„Kein Bedarf“, entgegnete Leslie kühl. Sie blieb stehen, im viel zu kurzen Nachthemd, die Arme vor der Brust verschränkt. Gosetti zuckte die Achseln.
„Nun, dann nicht“, sagte er. „Aber ich möchte trotzdem mit dir reden.“
„Ich höre Ihnen zu, aber sobald Sie irgendetwas fragen, das mir gegen den Strich geht, gehe ich auf der Stelle zurück zu Raffaello, klar?“, unterbrach sie ihn unwirsch. Gosetti hob die Augenbrauen.
„Wahre Liebe …“, murmelte er leise vor sich hin.
„Ach, halten Sie den Mund!“, blaffte Leslie. Gosetti verkniff sich ein Grinsen, dann blickte er mit ernstem Gesichtsausdruck zu ihr auf.
„Ich nehme an, du weißt nicht, wer Ruggiero verpfiffen hat?“, sagte er ruhig.
„Was meinen Sie mit ‚verpfiffen‘?“, entgegnete Leslie, nun doch ein wenig beunruhigt, aber im Stillen musste sie zugeben, dass sie genau wusste, was er damit meinte. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum und durchbohrte den Commissario mit stechenden Blicken, als er nicht gleich antwortete, sondern erst noch seelenruhig seine Zeitung zusammenfaltete und auf den freien Stuhl neben sich legte.
„Jemand hat Spavento, soweit ich weiß, einen heißen Tipp gegeben, wo dein Freund sich wann aufgehalten hat. Dass er vorhatte, nach Rom zu fahren für ein paar Tage.“
„Hat er mir gesagt“, knurrte Leslie ungeduldig.
„So? Hat er?“, sagte Gosetti gleichgültig. „Nun ja, dort, am Flughafen, haben sie ihn dann auch erwischt. Durchsiebt hätten sie ihn mit Kugeln, wenn er sich nicht plötzlich nach den Kerlen umgedreht und seinerseits das Feuer eröffnet hätte. Das muss ich ihm lassen. Der Mann sieht und hört alles. Großartige Reflexe.“ Er rieb sich den Schnauzbart.
„Wenn er kein Mafiaboss wäre, gäbe er ganz sicher einen fähigen Polizisten ab …“, meinte er ungerührt. „Nun, wie dem auch sei. Ich war zur Stelle, schneller, als die lahmarschigen Carabinieri mit der Wimper zucken konnten. Die Killer konnten wir verhaften – jedenfalls einen von ihnen. Dem anderen hat Ruggiero in letzter Sekunde zwei Kugeln durch den Schädel gejagt. Kein appetitlicher Anblick, aber da er in Notwehr gehandelt hat, können wir es ihm leider nicht übel nehmen …“
Er schwieg. Eine ganze Weile lang saß er einfach nur da und betrachtete Leslie, als dächte er darüber nach, wie sie nur in diesen Schlamassel hineingeraten war. Wahrscheinlich wollte er sich vergewissern, dass seine Worte auch ja Eindruck auf sie hinterlassen hatten. Das hatten sie.
Ganz deutlich, wie in Zeitlupe, sah Leslie vor sich, wie Raffaello mit schmerzverzerrtem Gesicht gegen seinen Maserati stolperte, mitgerissen von der Wucht der Kugeln. Wie er seine Pistole zog und feuerte. Wie er jemanden umbrachte. Wieder. Und er hatte sie angelogen. Er hatte ihr verschwiegen, dass einer der beiden Killer noch am Leben war – und sich im Gewahrsam der Polizia befand.
Sie versuchte dennoch – oder gerade wegen Gosettis Blicken – keinerlei Gefühlsregungen zu zeigen, sondern trotzig zu ihm herabzusehen, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Hast du eine Ahnung, wie dein Freund Federico wissen konnte, wo sich Ruggiero aufgehalten hat? Hast du ihm irgendetwas erzählt?“, fragte Gosetti dann. Leslies Pokerface geriet ins Wanken.
„Was meinen Sie damit?“, entgegnete sie. Gosetti schlug die Beine übereinander.
„Von ihm hatte Spavento die Informationen“, behauptete er ruhig.
„Was?!“, schrie Leslie entsetzt. Gosetti nickte.
„Er wollte mir zwar verraten, dass er es war, aber nicht, warum er es getan hat. Und wie er an Spaventos Adresse gekommen ist, habe ich auch keine Ahnung. Selbst als deine Freundin Anne auf ihn eingeredet hat, bestand er darauf, es für sich behalten zu wollen. Seltsam, nicht..?“ Er schien sich an ihrem fassungslosen Gesichtsausdruck zu laben, denn eine ganze Weile blickte er einfach nur zu ihr auf.
„Ich würde zu gerne wissen, was da im Spiel war …“, murmelte er dann. „Verletzter Stolz? Oder Eifersucht? Immerhin scheint Antonio noch Einiges für dich übrig zu haben, Leslie …“ Leslie schluckte. Aber es war Wut, die sie mühsam herunterwürgen musste. Wut und Entsetzen
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