Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Vorhang.“
„Wenn du willst, kannst du auch auf meine Fensterbank im Wohnzimmer“, bot Raffaello an, doch sie schüttelte den Kopf. Sie lehnte sich wieder zurück und traute sich endlich, seinen Blick zu erwidern, der pausenlos auf ihr ruhte.
„Was?“, fragte sie irgendwann. Raffaello schüttelte leise lachend den Kopf.
„Nichts“, behauptete er lässig und schwang die Beine vor und zurück. „Ich denke nur gerade daran, dass es ziemlich schön ist, hier mit dir auf einem Baum zu sitzen.“ Er grinste. Mit einem schwachen Lächeln ließ sie ihre nackten Zehen leicht gegen seine Schienbeine prallen. Sie konnte nicht verbergen, dass sie sich darüber freute, was er gesagt hatte, aber im selben Moment fragte sie sich, wie er plötzlich so locker vor ihr sitzen konnte, als wäre nichts gewesen. Als hätte sie ihn nicht gerade eben mit einer Pistole bedroht.
Eine ganze Weile saßen sie einfach nur da, zwischen Olivenhainen, und schwiegen vor sich hin, so lange, bis sich Leslie irgendwann traute, Raffaello nach all dem zu fragen, wovon Anne ihr erzählt hatte.
„Als du mich … entführt hast“, sagte sie, „nach Kalabrien …“ Er sah zu ihr auf.
„Was ist damit?“ Sie holte tief Luft, bevor sie es aussprach.
„Da ging es nicht um mich, habe ich recht? Mein Leben war niemals in Gefahr.“ Sie sah ihm geradewegs in die Augen, doch er senkte den Blick, schien lange darüber nachzudenken, was er sagen sollte.
Dann seufzte er und sagte: „Nein. Es war wegen der Drohungen gegen mich.“
„Warum hast du mir dann was vorgelogen?“, fragte sie.
„Weil ich nicht wusste, ob du mit mir kommen würdest, wenn ich dir die Wahrheit erzählt hätte.“
„Warum wolltest du mich überhaupt dabeihaben?“ Er lächelte schwach.
„Ich wusste nicht, wie lange ich in Kalabrien bleiben würde und ohne dich hätte irgendwas gefehlt“, gab er mit einem verschmitzten Lächeln zu. „Ich wollte nicht riskieren, dich wochenlang nicht sehen zu können – um dann womöglich feststellen zu müssen, dass du schon wieder nach Hause geflogen wärst. Nochmal hätte ich mir das nicht verzeihen können.“
„Oh“, machte Leslie nur und konnte sich nicht entscheiden, ob sie ihm in die Augen blicken wollte oder nicht. Sie hatte mit geschäftlichen, mafiösen Angelegenheiten gerechnet – aber nicht damit. Sie spürte Raffaellos Blick auf sich ruhen und konnte nicht verhindern, dass sie ein wenig rot wurde.
„Ich hab’ dich einfach viel zu gerne, Leslie“, sagte er irgendwann. Sie dachte an vorhin. Eigentlich hätte er allen Grund gehabt ihr zu misstrauen oder sie hochkant rauszuwerfen. Aber das tat er nicht. Er schien die Sache sogar beinahe schon wieder vergessen zu haben.
„Hast du mich deshalb nicht vor die Tür gesetzt?“, fragte sie vorsichtig. Seine dichten Brauen schoben sich zusammen.
„Warum sollte ich?“, entgegnete er überrascht. Sie zog die Knie an die Brust und schlang die Arme um die Beine.
„Naja“, murmelte sie, „wegen vorhin …Tut mir übrigens schrecklich leid. Ich weiß nicht, was ich –“.
„Es braucht dir nicht leidzutun“, sagte er und seine eben noch entspannte Miene wirkte mit einem Mal unendlich hart, fast wütend. „Das war der Lohn für das … was passiert ist“, sagte er. „Ehrlich gesagt bin ich mehr als überrascht, dass du überhaupt noch etwas mit mir zu tun haben willst. Nach dem, was Gosetti dir mit Sicherheit über mich erzählt hat …“ Leslie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie hatte nicht erwartet, dass er noch einmal auf das Thema eingehen würde, hatte mit Ausweichmanövern und kühlen Blicken gerechnet.
„Gosetti hat mir nicht so viel erzählt wie Anne“, murmelte sie dann. „Aber das kann nicht einfach etwas daran ändern, dass …“ Sie stockte und biss sich auf die Unterlippe. „Naja, dass ich dich so sehr mag.“ Sie linste zu ihm auf und wünschte, sie hätte es nicht getan. Sekundenlang sah er so schrecklich aus, so leidend, dass sie erst erschrocken Luft holte und ihm dann, wäre die Position auf dem Ast nicht äußerst ungünstig gewesen, um den Hals gefallen wäre.
Vorsichtig kniete sie sich auf den dicken Ast, kroch langsam auf Raffaello zu – und dann schloss sie ihn in die Arme, ganz fest, und als sie versuchte, sich bequemer hinzusetzen und ganz plötzlich seine Lippen auf ihren spürte, passierte es: Sie brachte gerade noch ein quiekendes „Oh, Scheiße!“ heraus, bevor sie den Halt verlor, wild mit den
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