Zwischen Olivenhainen (German Edition)
sie schließlich.
„Heute Abend“, sagte Mario. „Wenn du willst, bleibe ich bei dir, bis er auftaucht. Ich könnte dir etwas kochen? Wenn er was anderes außer Tiefkühlpizza da hat …“ Doch Leslie schüttelte den Kopf.
„Danke, ich verzichte“, sagte sie kühl – und sie meinte zu sehen, wie Enttäuschung über Marios Gesicht huschte. Aber dann nickte er.
„ Va bene “, sagte er, „wie du willst.“ Dann drückte er ihr einen Zettel in die Hand.
„Meine Handynummer. Falls irgendwas ist“, sagte er, betrachtete Leslie einen Augenblick lang, die nur halb so trotzig, wie sie beabsichtigt hatte, zu ihm aufsah, dann nahm er sie einfach so in die Arme und drückte sie ganz fest.
„Es tut mir leid, dass du das alles durchmachen musst“, sagte er leise, bevor er sie losließ, sich umdrehte und aus der Tür trat. Leslie blieb stehen, wo sie war, zu überrascht von Marios plötzlicher Umarmung, um sich vom Fleck rühren zu können. Sie hörte, wie Mario den Motor startete, der Kies knirschte unter den Reifen und ganz langsam, fast so, als hoffe er darauf, sie würde aus dem Haus gestürmt kommen und ihn aufhalten, entfernte sich das Geräusch in Richtung Straße.
Leslie stand an den Türrahmen gelehnt da, schloss die Augen und atmete tief durch. Es roch so vertraut nach Raffaello, dass sie beinahe alles, was geschehen war, vergessen hätte – doch im nächsten Augenblick blitzten die Erinnerungen der vergangenen Stunden wieder in ihrem Gedächtnis auf. Eine nach der anderen, bis sie an nichts Anderes mehr denken konnte. Als sie die Augen wider öffnete, um die Bilder loszuwerden, fiel ihr Blick auf den Wohnzimmertisch. Ihre Pistole lag darauf. Blinkte im hellen Sonnenlicht zu ihr auf. Entgegen ihrer Überzeugung, trotz ihrer Angst, griff Leslie danach und schob sie vorsichtig in den Bund ihrer Jeans, die Anne ihr geliehen hatte. Dann sank sie auf das schwarze Ledersofa nieder – und wartete.
47
Stunden vergingen, bis sie draußen in der Auffahrt Kies knirschen hörte. Vorsichtig stand sie auf und lugte aus dem Fenster neben der Tür. Raffaellos Maserati legte gerade eine ordentliche Vollbremsung neben all seinen anderen Autos hin, kurz darauf sah sie ihn selbst aus dem Wagen steigen und bei seinem Anblick zog sich etwas in ihrer Brust schmerzhaft zusammen. Sie atmete tief durch, um dieses entsetzliche Gefühl loszuwerden. Doch es half nichts. Raffaello, ganz in Schwarz gekleidet, warf einen flüchtigen Blick zum Haus – und Leslie bemerkte, dass sie die Tür noch immer nicht geschlossen hatte – dann eilte er mit riesigen Schritten darauf zu.
Leslie konnte sich später nicht mehr erklären, wie es dazu kam, doch mit einem Mal flackerte die Angst wieder in ihrem Magen auf, Enttäuschung – und die verzweifelte Wut auf sich selbst, weil es ihr nicht gelang, das vertraute Ziehen in ihrer Brust, als sie Raffaello gesehen hatte, zu unterdrücken. Vorsichtig tastete sie nach der Pistole. Zitternd umschloss sie sie mit beiden Händen. Die Luft blieb ihr weg vor Aufregung. Langsam zog sie die Waffe aus dem Bund ihrer Jeans. Hart und kalt lag das Metall in ihren Fingern. Raffaellos Stimme drang an ihre Ohren. Er rief ihren Namen, besorgt, so als hätte er Angst, ihr sei etwas passiert. Sie presste sich mit dem Rücken fest an die Wand neben der geöffneten Tür. Heiße Luft strömte von dort aus ins Zimmer. Sie atmete nicht, ihr Herz raste, das Adrenalin jagte durch ihren Körper und ihre Fingerspitzen kribbelten. Irgendwo, tief in ihrem Inneren, fragte sie sich, was sie da tat – und warum, doch sie fand keine Antwort darauf. Nicht jetzt. Sie schnappte nach Luft und verbannte die Stimme, die ihr zurief, dass sie Raffaello liebte, in ihren Hinterkopf. Doch dort blieb sie. Und redete ihr ein, dass er es nicht gewesen war. Dass er nichts mit Antonios Tod zu tun hatte. Dass es keinen Grund gab, die Waffe gegen ihn zu richten. Sie atmete tief durch, dann wartete sie. Verharrte regungslos neben der Tür.
Als Raffaello ins Zimmer kam – er rannte – war Leslie nicht imstande sich zu rühren. Mit beiden Händen umklammerte sie die Waffe, so wie er es ihr gezeigt hatte, biss sich auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte. Und irgendwann trat sie einen Schritt vor. Sie wusste nicht, ob er ihr Spiegelbild schon vorher auf dem Bildschirm des Fernsehers bemerkt hatte – natürlich, wie hatte sie das nicht merken können? – denn als er sich jetzt langsam umdrehte, lag nicht der Hauch einer
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