Zwischen Olivenhainen (German Edition)
wie es eine beste Freundin macht, sie setzte sich nur zu ihr auf die kalte Fensterbank und starrte sie auch nicht an, sondern blickte hinunter auf den blühenden Garten mit dem großen, verlockend glitzernden Pool, die Gartenmauer und die gegenüberliegenden Häuser.
„Wollen wir nachher runter schwimmen gehen?“, fragte Anne nach einer Weile, doch Leslie schüttelte den Kopf. Damit jeder ihre Storchenbeine sehen konnte? Nein danke. „Du hast sicher keine Diät nötig“, hörte sie Raffaellos Stimme in ihren Gedanken. Blöder, aufgeblasener Weiberheld. Dachte er etwa, er konnte ihr Komplimente machen? Das war ganz sicher keines gewesen.
Anne schwieg wieder. Wahrscheinlich wartete sie darauf, dass Leslie etwas sagte, doch diesen Gefallen würde sie ihr mit Sicherheit nicht tun. Sollte sie doch gehen.
„Leslie, wer war der Typ eben?“, fragte Anne schließlich leise. So leise, als wäre noch jemand im Zimmer.
„Ist Meli da?“, entgegnete Leslie patzig, aber Anne schüttelte den Kopf.
„Sie ist mit ihrem Vater einkaufen gefahren.“ Sie schwiegen. Leslie war sehr wohl bewusst, dass sie anderen gegenüber oft unfreundlich wirkte, indem sie keine der Fragen beantwortete, die man ihr stellte, sondern immer gleich mit einer Gegenfrage konterte, aber Anne war daran gewöhnt. Im Gegensatz zu ihm . „ Merda , Leslie, beantworte doch bitte erst meine Frage“, hatte er gesagt. Er war es nicht gewohnt. Na und? Dachte sie, ich wollte ihn ärgern. Obwohl sie genau wusste, dass sie das nicht wollte.
„Wenn du nicht darüber reden willst …“, sagte Anne und plötzlich befürchtete Leslie, sie könne einfach wieder aufstehen und gehen, um sie in Ruhe zu lassen, aber das tat sie nicht. Sie blieb sitzen, gegen den Fensterrahmen gelehnt und musterte Leslie aus ihren hellblauen Augen aufmerksam.
„Ist schon gut“, murrte sie. Sie sah Anne nicht in die Augen.
„Es war der Typ, der dich beobachtet hat, oder?“, fragte Anne. Nach kurzem Zögern nickte Leslie.
„Was hat er gemacht?“
„Wie?! Was soll er ‚gemacht‘ haben?!“ Vielleicht klang sie ein bisschen zu patzig. Anne hob die Schultern.
„Na, du bist so … sauer“, sagte sie.
„Ach so“, sagte Leslie. „Nichts.“
Anne hob die hellen Augenbrauen. „Nichts?“, sagte sie sarkastisch. „Bist du dir sicher?“
Ja, wollte Leslie sagen, doch auf einmal bekam sie dieses Gefühl, das man in Gegenwart seiner besten Freundin bekommt, wenn man spürt, dass man ihr zu hundert Prozent vertrauen kann.
„Jemand hat ihn angerufen und da musste er plötzlich ganz schnell weg“, sagte sie. Sie wusste, dass Anne diese Turbozusammenfassung keines Weges verstanden haben konnte.
„Er hat dich versetzt?“, fragte Anne. Verletzt trifft es wohl besser, dachte Leslie, aber sie nickte.
„Er hat mich heute Morgen abgeholt, viel früher, als verabredet, weil sein blödes Protzteil nicht mehr hier im Hafen lag.“
„Protzteil?!“
„Sein Schiff!“
„Er hat ein Schiff?!“
„ Jep . Ich sage dir, es ist mindestens 30 Meter lang.“
„Also eine Jacht.“
„Wahrscheinlich“, sagte Leslie. Dann schwiegen sie eine Weile. Anne setzte sich in den Schneidersitz und verzichtete Gott sei Dank darauf, mit dem Fuß zu zappeln. Das trieb Leslie manchmal echt in den Wahnsinn.
„Er fährt einen Maserati“, sagte sie dann. Annes Augen wurden groß.
„Wieviel Geld hat der denn?“, fragte sie. „Wie alt ist er?“
„Ziemlich viel“, erklärte Leslie. „Sein Vater ist Politiker oder so … Behauptet zumindest Gosetti. Er sagt was anderes. Er ist fast achtzehn.“
„Aha“, machte Anne. „Na, dann hat er ja allemal genug Knete, um sich eine Jacht und einen Maserati zu leisten. Weißt du, wo er wohnt? Vielleicht in ’nem riesigen Palazzo !“
„Auf dem Land, hat er gesagt.“ Anne band sich die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen.
„Leslie“, nuschelte sie. „Ich schätze, er ist einer von der Sorte, von der man als Mädchen besser die Finger lässt.“
Das hätte sie nicht sagen sollen. In Leslies Magen zog es plötzlich gewaltig. Sie schluckte. Sie kamen aus dem Nichts, die Tränen, es waren auch nur drei, die ihr die Wangen hinab liefen, bevor sie sie wütend wegwischte, aber Anne ergriff sofort ihre Hand und musterte sie aufmerksam.
„Ich glaube, du bist verliebt“, stellte sie dann fest, als wäre es das Schlimmste, was ihr auf der Welt passieren konnte. Dieser eine Satz machte Leslie sofort wieder wütend. Alles in ihr sträubte sich
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