Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Hafen in Palermo gesehen hatte, wenn sie sich nicht irrte.
„Was meinst du, wem dieses protzige Teil da hinten gehört?“, fragte Leslie scherzhaft, als sie neben Raffaello durch den feinen, hellen Sand stapfte. Etwas zuckte um seine Mundwinkel. Einen kurzen Augenblick linste er zu ihr herüber.
„Mir …“, sagte er dann.
„Was?!“ Leslie schrie fast. Ihm sollte diese riesige Jacht gehören? Nie im Leben. Obwohl … dann musste sie an den superteuren Maserati denken.
„Ja.“, sagte er. „Die ‚Madonna‘ . Mein Vater hat sie mir zu meinem sechzehnten Geburtstag geschenkt.“
„Wie viel Geld habt ihr eigentlich?“, entfuhr es Leslie. „Entschuldige“, fügte sie schnell hinzu, doch sie hörte ihn nur amüsiert lachen.
„Es ist genug, schätze ich“, sagte er. Dann steuerte er auf ein im Sand liegendes Schlauchboot zu. „Wir werden rüber fahren. Du hast doch nichts gegen wackelige Nussschalen, oder?“
Leslie schüttelte den Kopf. Sie musste unbedingt wissen, was sein Vater von Beruf war. Wie konnte man nur so unverschämt viel Geld haben? Das war doch der reine Wahnsinn. Regelrecht unfair.
„Worüber denkst du nach?“, fragte er sie, als sie sich gerade mitten auf dem türkisen Wasser befanden.
„Über dich.“
„Schon wieder?“
Sie nickte. „Und darüber, wie man so reich sein kann.“ Darauf gab er keine Antwort. Er steuerte nur weiter der ‚Madonna‘ , die im tieferen Wasser vor Anker lag, entgegen.
„Was ist mit deiner Familie?“, fragte er dann.
„Das willst du nicht wissen“, entgegnete sie gequält.
„ Scusi .“
„Nein, schon gut“, sagte sie, „mein Vater hat mich, meine Mom und meinen kleinen Bruder Benny vor zwei Jahren verlassen.“
„Oh!“, machte er nur. Vielleicht kannte er auch nur das Glück einer perfekten Familie. Aber sein Blick war weich geworden.
„Das tut mir leid“, sagte er.
Leslie zuckte die Schultern. „Ich bin darüber weg“, sagte sie, „mehr oder weniger.“ Dass sie vor anderthalb Jahren aufgehört hatte zu essen und ihre Mom sie deshalb in eine Klinik bringen musste, verschwieg sie ihm, auch wenn er sich mit Sicherheit schon gefragt hatte, warum sie so dünn war.
„Mom arbeitet in einem mickrigen Lebensmittelmarkt in Argyll“, sagte Leslie. „Es ist also nicht besonders viel, was sie verdient. Ich bin froh, dass ich Anne und Melissa habe – und ihren Vater, der mir die Reise hierher bezahlt hat.“
Raffaello hatte den Außenbordmotor abgestellt. Er sah sie nur betroffen an. Dieser Gesichtsausdruck passte absolut nicht zu seinem sonstigen Machogehabe. Sie beschloss, das Thema zu wechseln.
„Hast du auch solche besten Freunde?“, fragte sie ihn. „Ich meine solche, auf die du dich wirklich hundertprozentig verlassen kannst und denen du vertraust?“ Seine Miene verfinsterte sich. Das Boot wurde von den seichten Wellen hin und her geschaukelt.
„Einen Einzigen“, sagte er. „Und noch einen Haufen anderer. Nur kann ich keinem von denen vertrauen.“
Leslie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, aber vielleicht war es besser, gar nichts zu sagen. Vielleicht war sie auch zu weit gegangen, denn auf einmal erschien dieser gleichgültige Ausdruck auf Raffaellos Gesicht. Wie eine Maske. Seine Sonnenbrille setzte er nicht auf und irgendwie war Leslie froh darüber.
„Es wird dir auf der ‚Madonna‘ gefallen, denke ich“, sagte er und da war es wieder, sein Macholächeln. „Das heißt …, wenn dir das Protzteil nicht zu protzig ist.“ Er grinste und Leslie schaute beschämt auf den Boden des Schlauchbootes.
„Ach was, ich hab’ dir längst verzieh –“. Er wurde vom Klingelton seines Handys unterbrochen. Er fluchte auf Italienisch.
„ Scusi , da muss ich kurz rangehen“, sagte er entschuldigend, nachdem er einen Blick auf das Display geworfen hatte. Sie verstand nicht, was er sagte, weil er Italienisch sprach, nur den Namen ‚Mario‘. Seine Miene zeigte keinerlei Reaktion, während ihm dieser Mario am anderen Ende der Leitung wer weiß was für unwichtigen Kram erzählte, aber dann verdüsterten sich seine Züge. Verkrampft biss er sich auf die Unterlippe. Er warf Leslie einen kurzen Blick zu und schien angestrengt über etwas nachzudenken.
„ Merda !“, entfuhr es ihm, den Rest verstand sie nicht. Nur noch „Mario.“ Er donnerte weiter. Dann unterbrach ihn der Anrufer.
Leslie blickte auf das Meer. Hinüber zu der Dreißig-Meter-Jacht. Irgendwie war sie äußerst gespannt darauf, einen
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