Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Blick hineinzuwerfen.
„ Merda !“, rief Raffaello dann wieder aus und seine Miene war wie versteinert, als Leslie besorgt zu ihm aufblickte. Er fluchte noch einiges anderes auf Italienisch und gestikulierte wild mit der freien Hand in der Luft herum, bevor er wutschnaubend sein teures Handy in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Einige Sekunden war es Leslie, als könne er ihr nicht in die Augen sehen, dann tat er es doch. Fast entschuldigend wirkte der Blick aus seinen tiefbraunen Augen, doch da lagen auch Entschlossenheit und eine gehörige Portion Wut in ihnen.
„Ich muss dich wieder zurückbringen“, sagte er dann leise.
„Was?“, fragte sie entsetzt. „Aber … warum das denn?“ Gehetzt fuhr er sich durch das wirre Haar.
„Ich weiß, wie das klingt, Leslie“, sagte er, „aber es gibt Probleme. Richtige Probleme. Ich muss dringend los und mich darum kümmern.“
„Kann das nicht dein Vater tun? Was hast du damit zu schaffen?“ Jetzt spürte sie, wie sie wütend wurde. Erst sagte er, er freue sich schon auf ihre Verabredung und wollte ihr seine Jacht zeigen, und spielte den ach so zuvorkommenden Gentleman – und dann servierte er sie ab. Wegen eines simplem Anrufes. Sie konnte es nicht fassen. Mistkerl.
„Leslie, es ist wirklich wichtig“, entgegnete er fast verzweifelt. „Überlebenswichtig, wenn du es so willst.“
„Okay“, sagte Leslie bissig, „fahren wir zurück.“ Aber er rührte sich nicht. Er sah sie nur an.
„Worauf wartest du noch?“, fuhr sie ihn an.
Er senkte den Blick. „Es tut mir leid. Ehrlich“, sagte er, doch als Leslie ihm nicht antwortete, fuhr er los. Schneller, als zuvor.
Zwei Stunden lang schwiegen sie, während sie zurück nach Palermo fuhren. Raffaello raste noch schneller als vorher und übersah so gut wie jede rote Ampel, was Leslie jedes Mal fast zu Tode ängstigte. Aber das ließ sie sich nicht anmerken. Sie war stinksauer auf ihn. Stinksauer. Blöder, sizilianischer Angeber. Verbissen schaute sie aus dem Fenster. Der Fahrtwind peitschte ihr das lange Haar ins Gesicht, aber das störte sie nicht. Sie konnte nur wütend sein. Und enttäuscht.
Melissa, Anne und Mr. Gosetti kamen gerade aus dem Hoteleingang, als Raffaello mit quietschenden Bremsen einen Vollstopp direkt vor ihnen hinlegte. Bevor Leslie aussteigen konnte, drückte er ihr etwas in die Hand. Einen Zettel.
„Falls du mir irgendwann verzeihst“, sagte er knapp, dann stieg Leslie aus dem Cabrio und schmetterte die Tür hinter sich zu. Das Protzteil konnte ruhig mal eine Schramme abbekommen. Den Zettel steckte sie in die Hosentasche. Sie nahm sich vor, ihn gleich oben in ihrem Zimmer in den Mülleimer zu werfen.
Raffaello gab erneut Gas und verschwand in Höchstgeschwindigkeit zwischen all den anderen Autos, wobei er noch fluchend sein Hemd zuknöpfte.
Tja, dachte Leslie, wenn man unbedingt zeigen muss, wie durchtrainiert man ist. Sie zog eine Schnute. Nicht, dass sie das beachtet hätte. Da hatte er sich gewaltig getäuscht. Sie war keine von der Sorte, die ihm auf den Waschbrettbauch starrte. Widerlich. Sie knüllte den Zettel in ihrer Hosentasche zusammen, als Anne und Melissa bei ihr ankamen. Schockiert musterten sie sie. Mr. Gosetti blickte sie nur mit ausdruckslosem Gesicht an.
„Leslie, wo warst du denn? Wir haben dich gesucht, verdammt!“, rief Anne aufgebracht.
„Der sah ja mal verdammt gut aus“, seufzte Melissa, aber das trug nicht gerade zur Besserung von Leslies Stimmung bei.
„Scheiße, lasst mich doch“, zischte sie. Und dann eilte sie mit großen Schritten auf den Eingang des Hotels zu.
Leslie verdrehte genervt die Augen, als sie hörte, wie jemand ins Zimmer kam. Sie wollte alleine sein. Und Trübsal blasen. Wütend kaute sie auf ihrer Unterlippe herum, bis sie merkte, dass da noch mehr war als Wut. Sie war enttäuscht von Raffaello. Weil er sie einfach so ohne Zögern versetzt hatte für irgendeinen ach so wichtigen Anrufer. Warum hatte er ihr dann überhaupt sein Schiff zeigen wollen? Weil er angeben wollte, deswegen. Leslie spielte mit dem Vorhang, ließ ihn hin und her pendeln. Gleich nachdem sie auf ihr Zimmer gekommen war und den blöden Zettel, den Raffaello ihr gegeben hatte, in den Mülleimer gepfeffert hatte, hatte sie sich auf ihren Platz am Fenster verzogen, um in aller Ruhe Trübsal zu blasen.
So saß sie da, blies Trübsal, ärgerte sich über sizilianische Machos und spielte mit dem Vorhang, als Anne sie fand. Anne sagte nichts, ganz so,
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