Zwischen Olivenhainen (German Edition)
entspannte sich, dann stieg er aus, um zu tanken. Als Leslie sich erneut über das Armaturenbrett beugte, stellte sie verwundert fest, dass der Tank noch fast voll war. Seltsam.
Den Rest der Fahrt zwang sich Leslie, die Augen offen zu halten und als sie endlich die Innenstadt erreichten, verspürte sie schon fast so etwas wie Erleichterung. Sie freute sich riesig darauf, in ihr Bett zu fallen und zu schlafen, bis Anne sie mit ihrem Gezappel wecken würde.
Die Ampel vor ihnen sprang auf Rot und Leslie dachte schon, Mario würde das nicht beachten, aber er hielt brav an. Scheinbar war auch er relativ müde, denn er umfasste das Steuer mit festem Griff und ein verbissener Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Wahrscheinlich war es schwer für ihn, sich um diese Zeit noch aufs Autofahren zu konzentrieren. Links neben ihnen ließ der Beifahrer des grauen VWs die Scheibe herunter.
Mario verdrehte genervt die Augen, dann ließ er ebenfalls die Scheibe auf seiner Seite herunterfahren. Knurrend wechselte er mit den beiden Männern, die in dem Wagen saßen, einige knappe Wörter, die Leslie nicht verstand. Und dann blieb ihr fast das Herz stehen, als Mario so plötzlich und hart aufs Gas trat, dass das Auto einen kleinen Satz nach vorne machte und weiter raste, quer über die dicht befahrene Kreuzung.
Mario brachte einige andere Fahrer dazu, erschrocken zu hupen, aber das störte ihn scheinbar nicht weiter, denn er sauste einfach weiter geradeaus, schlängelte sich zwischen langsameren Autos hindurch und die nächsten beiden Ampeln, die rot aufleuchteten, übersah er auch. Dann, nachdem er mehrere prüfende Blicke in den Rückspiegel geworfen und sich einmal sogar umgedreht hatte, drosselte er das Tempo und reihte sich in eine Autoschlange ein, die sich vor einer roten Ampel gebildet hatte.
„Kanntest du die beiden?“, fragte Leslie ihn, als er wieder losfuhr und er nickte.
„Alte Bekannte“, sagte er knapp.
„Wohl keine so netten?“
„Nicht unbedingt.“ Und das war das Einzige, das Mario noch sprach, bevor er den Jaguar vor dem Eingang des Hotels parkte und Leslie mit den Worten: „ Arrivederci , Leslie, bis bald mal wieder“, verabschiedete und, nachdem sie ausgestiegen war, eilig weiter fuhr. Aber er fand noch einmal die Zeit, aus einem der Fenster zu winken.
12
Vor ihrer Zimmertür sah sich Leslie dazu gezwungen, stundenlang in ihrer Tasche nach dem elenden Schlüssel zu kramen und nachdem sie die Tür so leise wie nur irgend möglich hinter sich zugezogen hatte, fiel ihr erster Blick auf das Bett. Es war stockdunkel im Raum, nur die kleine Lampe auf Annes Nachtschrank brannte noch. Und auf dem Bett saß Anne. Kerzengerade, mit blitzenden Augen, zappelndem Fuß und scheinbar unerträglich hellwach. Sobald Leslie sie erblickt hatte, rappelte sie sich auf und zischte ihr aufgeregt etwas zu:
„Leslie! Wo warst du?!“ Ach du liebe Güte. Scheinbar hatte Anne es nicht lassen können, auf sie zu warten. So viele Stunden lang hatte sie sich wachgehalten. Na toll, dachte Leslie. Genau das hatte sie eigentlich vermeiden wollen. Aber Anne stand vor ihr, musterte sie aufmerksam und voller Ungeduld und Leslie brachte keinen Ton heraus, so sehr hatte ihre Freundin sie überrumpelt. Das war Anne. Unberechenbar und zielstrebig.
„Wo warst du, Leslie, verdammt, jetzt sag schon!“, zischte sie ihr an die tausend Mal ins Ohr und Leslie blickte hektisch zur Tür, die zu Melissas Schlafraum führte. Sie war verschlossen. Gott sei Dank. Ansonsten wäre die Arme wohl schon längst hellwach gewesen. Und irgendwie vermutete Leslie, dass Anne sie mit wer weiß was für welchen Mitteln dazu gebracht hatte, sich schlafen zu legen und nicht auch mit ihr zusammen zu warten.
„Halt die Klappe, Anne!“, raunte Leslie ihrer Freundin zu, dann packte sie sie kurz entschlossen am Arm und zog sie mit sich ins Badezimmer. Und noch während sie beide in die Badewanne kletterten, sich ganz hinten auf die Kante setzten und den Vorhang zuzogen, gefiel Leslie dieses Versteck.
Da saß Anne nun rechts neben Leslie an die Wand gelehnt und ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Ihr Bein wippte aufgeregt in Höchstgeschwindigkeit auf und ab, was ein dumpfes Pochen verursachte, immer wenn ihre Ferse auf dem dünnen Boden der Wanne aufschlug. Leslie packte Annes Knie und hielt es fest.
„Tschuldige“, nuschelte Anne. „Also, jetzt sag schon!“
Herrgott, wie ungeduldig manche Menschen doch waren, ganz besonders Anne, und plötzlich machte es
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