Zwischen Olivenhainen (German Edition)
entgegnete er. Darauf antwortete Leslie nichts. Sie folgte nur seinen Schritten, bis das Lied vorbei war, und dann war sie die Erste, die, dicht gefolgt von Raffaello, die Tanzfläche verließ und schnurstracks wieder auf den kleinen Tisch unter dem Olivenbaum zusteuerte.
„Du tanzt nicht besonders gerne, hm?“, fragte er sie, als sie wieder auf den Stühlen saßen.
Leslie schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich.“
„Schade“, sagte er seufzend, „mir macht es nämlich echt Spaß, mit dir zu tanzen.“
„Hm“, machte Leslie abwesend und dann sah sie schnell auf ihre Füße, weil er sie so komisch ansah. Sie schwiegen eine Weile.
Als das nächste Lied abgespielt wurde, horchte sie auf, denn die Gitarrenakkorde am Anfang erkannte sie sofort, zumal sie es oft genug gehört hatte, als sie mit Raffaello nach Tindari gefahren war. Während Robbie Williams ‚ Old Before I Die ‘ sang, blickte Leslie verstohlen zu Raffaello hinüber. Er bewegte die Lippen lautlos zum Text, genau wie er es vorher schon so oft getan hatte, aber immer nur zu diesem einen Song und plötzlich bemerkte Leslie den seltsamen Ausdruck, der sich auf sein Gesicht gelegt hatte und es schien ihr, als sei er mit den Gedanken ganz weit weg, an einem anderen Ort – nur nicht hier.
„Du magst den Song wirklich, oder?“, fragte sie ihn nach einer Weile, in der sie ihn beobachtet hatte. Als hätte sie ihn aus einem Traum gerissen, blickte er sie an.
„Manche Lieder haben eine gewisse Bedeutung für mich“, erwiderte er. So etwas Ähnliches hatte er vorhin auch schon mal gesagt, daran erinnerte sich Leslie. Aber als sie über den Text des Songs nachdachte, fragte sie sich, welche Bedeutung er wohl für Raffaello haben mochte. Er war eindeutig zu jung zum Sterben, ja, aber das brauchte er natürlich nicht zu befürchten.
„Dann hoffst du also, dass du alt bist, bevor du stirbst?“, fragte sie ihn und unterdrückte ein Grinsen. Sollte das irgendeinen verrückten Sinn ergeben? Es sollte ein Scherz sein, doch über sein Gesicht huschte plötzlich eine seltsame Ernsthaftigkeit, ja fast Trauer. Er antwortete nicht darauf. Und das verunsicherte sie plötzlich sehr.
Der Abend neigte sich immer mehr der Nacht zu, es war halb zwölf, als Mario an ihrem Tisch erschien und erklärte, dass er Leslie nun zurück zum Hotel bringen würde.
„Sonst fragen sich deine beiden Freundinnen noch, wo du bleibst“, sagte er grinsend und Leslie fragte sich, woher er von Anne und Melissa wusste.
„Tun sie sowieso“, entgegnete sie schulterzuckend. Sie wollte noch nicht gehen, obwohl sie hundemüde war. Manche der teuren Autos in der Einfahrt des riesigen Palazzos waren schon verschwunden, aber die meisten standen noch da, als Leslie hinter Mario und dicht gefolgt von Raffaello hinter dem Haus hervor kam. In der Dunkelheit, die sie nun umgab, glitzerten sie längst nicht mehr, nur der helle Mond spiegelte sich auf dem blank polierten Lack und einige der Fahrzeuge erinnerten Leslie plötzlich an Gangsterwagen, wie man sie aus Filmen kannte, wie sie so teuer und schwarz zwischen den anderen standen und auf ihre stinkreichen Besitzer warteten.
Raffaello war Mario und Leslie bis auf den Parkplatz gefolgt und mit einem Mal wirkte er recht zerstreut, als er ihr die Hand zum Abschied reichte.
„ Arrivederci , Leslie. Buona notte “, sagte er leise. Sie hatte gehofft, dass er so etwas wie: „Wir sehen uns wieder“ sagen würde, aber das tat er nicht. Also nickte sie ihm lächelnd zu, unfähig, etwas Anständiges über die Lippen zu bringen und kletterte dann auf den Beifahrersitz neben Mario, der schon ins Auto gestiegen war und auf sie gewartet hatte. Er drehte den Zündschlüssel herum und während der Jaguar leise auf die lange Einfahrt zurollte, blickte Leslie über die Schulter zurück. Raffaello stand noch immer dort auf dem Parkplatz, er hob kurz die Hand und winkte ihr zu, und dann verschwand er in der Dunkelheit, als Mario in die Kurve einbog, die bald darauf auf das schwarze, breite Tor zuführte. Die beiden Wachen standen noch immer dort, aber Leslie war sich sicher, dass es nicht mehr dieselben waren, wie vorhin, vielleicht hatten sie sich abgelöst, und trotzdem erschauerte sie erneut beim Anblick der Waffen, die sie über der Schulter trugen und sie musste an die Männer denken, die wahrscheinlich noch zwischen den Stämmen der Schirmakazien umherschlichen. In der Dunkelheit eben hatte sie sie nicht mehr erkennen können und auf einmal
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