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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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sie.
    Er zuckte die Achseln. „Einfach so“, behauptete er.
    „Aber es ist dunkel! Siehst du da noch was?“ Er beugte sich über den Tisch zu ihr herüber und über diese plötzliche Nähe erschrak sie. Sie konnte ihr Gesicht sehen, das sich auf den dunklen Gläsern seiner Brille spiegelte.
    „So wie du dich gerne hinter deinen Haaren versteckst“, sagte er leise, „verstecke ich mich hinter meiner Sonnenbrille, wenn es die Situation erfordert.“ Er lächelte schwach. Leslie fragte sich, welche Situation für ihn ein Versteck erforderte, aber sie fragte ihn lieber nicht danach. Er hätte wahrscheinlich nur irgendeine philosophische Weisheit von sich gegeben. Oder gar nichts gesagt.
    Eine Weile saßen sie an dem kleinen Tisch unter dem Olivenbaum und beobachteten das dichte Gedränge, das auf der Tanzfläche herrschte.
    „Hast du Lust zu tanzen?“, fragte Raffaello sie plötzlich. Erschrocken sah Leslie zu ihm hoch. Nicht tanzen. Mit ihm, bloß nicht noch einmal. Aber er war schon aufgestanden und hielt ihr seinen rechten Arm hin. Zögernd stand sie auf und hakte sich bei ihm unter. Dann folgte sie ihm auf die glatte Tanzfläche, auf der jeder normale Mensch an Platzangst leiden müsste – nicht so Raffaello, wie es schien. Und plötzlich wünschte sie, sie hätte irgendeine Ausrede parat gehabt, wie: „Ich muss zurück zu Anne“, aber das wäre nun wirklich bescheuert gewesen und außerdem wollte sie ihn nicht enttäuschen. Ihn auf seine Schuhe hinzuweisen würde wahrscheinlich auch nichts bringen.
    „ You’re sixteen, you’re beautiful and you’re mine “, röhrte Ringo Starr aus den Lautsprechern und irgendwie gefiel Leslie dieses alte Lied der Beatles. Sie schätzte, dass es in ihrem Jahrgang wohl in Vergessenheit geraten war.
    „Das Lieblingslied meines Vaters“, sagte Raffaello und grinste. „Bei dem Tanz hat er vor fünfundzwanzig Jahren meine Mutter kennengelernt.“
    Wie der Vater, so der Sohn, schoss es Leslie durch den Kopf, aber den grässlichen Gedanken, dass Signor Ruggiero Raffaellos Mutter dann letztendlich geheiratet hatte, verwarf sie gleich wieder entsetzt.
    „Ich finde es ein bisschen altbacken, aber es hat irgendwie Stil“, sagte Raffaello, während sie langsam zur Musik tanzten. Leslies Hand schien in seinem Griff zu glühen und langsam gefiel es ihr, mit ihm zu tanzen. Zumal sie Gott sei Dank nicht mehr die Einzigen auf der riesigen Tanzfläche waren und sie merkte, dass sie ihm noch kein einziges Mal auf den Fuß getreten war. Bis jetzt jedenfalls. Raffaello trug noch immer seine nervige Sonnenbrille und plötzlich fühlte sich Leslie mutig genug, sie ihm abzusetzen und ihm in das wirre Haar zu stecken. Fast erstaunt sah er sie an, aber sie lächelte nur verlegen.
    „Ich kann deine Augen nicht sehen, wenn du sie aufhast“, sagte sie dann schulterzuckend. Ein spöttisches Lächeln spielte um seine Mundwinkel, seine Augen blitzten merkwürdig auf.
    „Wie tragisch“, entgegnete er leise und versuchte, todernst auszusehen, aber seine Mundwinkel zuckten. Dann strich er ihr die langen Haarsträhnen hinter die Ohren. Leslie erstarrte augenblicklich unter dieser Berührung. Für einen kurzen Augenblick vergaß sie die Tanzschritte und schon stolperte sie über seine Füße, aber er fing sie auf, bevor sie ernsthaft auf die Nase fallen konnte.
    „Und ich kann dein Gesicht nicht sehen, wenn du deine Mähne wie einen Vorhang davor hängen hast“, sagte er lächelnd und da wusste Leslie nicht, wo sie hinschauen sollte. In seine Augen ganz sicher nicht.
    „Leslie“, sagte er dann leise. „Du versteckst dich schon wieder.“
    „Vor wem sollte ich mich verstecken, bitteschön?“
    „Vor mir.“
    „Und warum?“, entgegnete sie fast ein wenig mürrisch.
    Raffaello hob die Schultern. „Das weiß ich doch nicht.“ Er senkte kurz den Blick, und als er wieder zu ihr aufsah, war ein seltsam warmer Ausdruck auf sein Gesicht getreten.
    „Aber das würde ich gerne wissen, Leslie“, sagte er mit rauer Stimme. Sie konnte seinem Blick nicht ausweichen, er nagelte sie mit seinen tiefbraunen Augen plötzlich regelrecht fest.
    „Was habe ich dir getan, dass du von jetzt auf eben so abweisend reagierst?“, fragte er. Leslie holte scharf Luft, wahrscheinlich, weil sie die ganze Zeit über vergessen hatte zu atmen. Er brachte sie aus der Fassung. Wie peinlich.
    „Sollte das einer von deinen ‚Momenten‘ sein?“, fragte sie mit noch immer zittriger Stimme.
    „Kann sein“,

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