Zwischen Olivenhainen (German Edition)
bei Gosetti bedanken und sich verabschieden können. Leslie beschloss, das bei nächster Gelegenheit zu tun. Aber nicht jetzt.
Grandpa Mac war aus seinem alten Auto gestiegen und lehnte nun schief grinsend an der verbeulten Tür, als Leslie mit ihrem kleinen Bruder an der Hand zu ihm kam.
„Willkommen zurück, bella Leslie!“, sagte Grandpa und schloss sie kurz in seine starken Arme. Der überwältigende Geruch seiner Zitronenbonbons, die er so gerne aß – und auch nach etwas Fisch – stieg Leslie in die Nase und auf der Stelle fühlte sie sich zu Hause.
„Oh, Grandpa, hör bitte auf mit Italienisch. Davon hab’ ich fürs Erste genug“, sagte sie und befreite sich grinsend aus seiner Umarmung.
Grandpa Mac hatte sich kein bisschen verändert, seit sie sich von ihm verabschiedet hatte. Er trug sein heißgeliebtes Karohemd, einen dicken, dunkelblauen Anorak und weite, braune Cordhosen. Seine eisgrauen Augen leuchteten wie eh und je und auch jede einzelne Falte um seine Augen, den Mund und auf der Stirn waren noch alle an derselben Stelle. Ebenso seine schiefen Zähne, von denen drei aus Gold waren, die große Hornbrille und das schlohweiße, dünne Haar, das vom Seewind zerzaust in alle Richtungen von seinem Kopf ab stand.
„Hat es dir nicht gefallen, Leslie?“, fragte Grandpa irritiert. Sie zögerte. Dann nickte sie.
„Doch, hat es. Es war wirklich schön.“
„Das ist gut“, sagte er lächelnd und klopfte ihr auf die Schulter, um dann erschrocken festzustellen: „Kind, du bist ja völlig durchgefroren! Da, nimm meine Jacke.“
Dankbar schlüpfte Leslie hinein. Der Anorak war ihr viel zu groß, obwohl Grandpa Mac eher ein kleiner Mann war, aber er hielt herrlich warm. Grandpa sorgte dafür, dass Benny sich auf dem Rücksitz auch ja angeschnallt hatte, dann ließ er sich selbst neben Leslie auf den Fahrersitz fallen. Mit einem lauten Knall sprang der alte Motor an und nachdem Grandpa seine dicke Hornbrille gegen eine zweite, feingliedrige mit dünnem, goldenem Gestell ausgetauscht hatte, mit der er besser in die Ferne sehen konnte, trat er aufs Gas. Grandpa war für seine 82 Jahre noch sehr flott mit dem Auto unterwegs, doch er war der Meinung, der Fischkutter läge ihm besser.
Während sie sich durch den Verkehr von Edinburgh kämpften, der bei Weitem nicht so schlimm war, wie der in Palermo, dann die Autobahn erreichten und irgendwann auf einspurigen, holprigen Landstraßen durch die grüne, hügelige Landschaft tuckerten, wollte Benny jedes noch so kleine Detail ihres Urlaubs auf Sizilien wissen und Leslie kam aus dem Reden gar nicht mehr heraus. Sie erzählte Grandpa und ihrem Bruder alles, angefangen bei ihrem Koffer, über Agrigent bis hin zu ihrer Abreise. Aber Raffaello verschwieg sie ihnen. Am Ende ihres Berichts war sie stolz auf sich, so glaubhaft von ihrem wunderbaren, erholsamen Urlaub mit zwei Freundinnen erzählt zu haben. Vielleicht konnte sie doch besser lügen, als Anne immer behauptete.
Benny war begeistert. „Hast du die Mafia gesehen?“, fragte er und zappelte auf dem Rücksitz herum.
Grandpa Mac musste lachen. „Die sieht man nicht, Schätzchen“, bemerkte er und Leslie grinste.
„Nein, habe ich nicht, Benny“, sagte sie. „Woher weiß du überhaupt von denen?“
„Hat mir Grandpa erzählt!“, entgegnete ihr kleiner Bruder stolz.
„So? Hat er das?“ Leslie bedachte Grandpa mit einem vorwurfsvollen Blick.
„Ich musste ihm allerlei erzählen, warum es sich nicht lohnt, nach Sizilien zu fahren, Leslie“, verteidigte er sich. „Benny hat darauf bestanden mitzufahren.“ Er senkte die Stimme. „Irgendwie musste ich ihn ja daran hindern, die ganze Stadt zusammenzuschreien.“
„Aber das hab’ ich nicht“, kam es stolz vom Rücksitz. „Ich hätte mich in deinem Koffer versteckt, Leslie!“ Der Kleine grinste frech und strampelte mit den Beinen, sodass er ihr in den Rücken trat.
„Au, lass das, Benny!“
„Aber da ist doch der Sitz! Wie kann denn das wehtun?“
„Ich zeig’s dir nachher.“
„Au ja!“ Benny war noch aufgekratzter, als sonst. Das konnte ja toll werden zu Hause. Leslie wollte gar nicht wissen, wie ihr Zimmer aussah. Und der Rest der Wohnung. Scheinbar freute er sich wirklich, seine große Schwester wieder für sich zu haben.
„Deine Mom arbeitet heute noch“, sagte Grandpa Mac irgendwann, als sie an einem riesigen See vorbeifuhren. „Aber morgen ist sie da, keine Sorge, Leslie.“
Leslie schüttelte den Kopf. „Ich mach mir
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