Zwischen Olivenhainen (German Edition)
keine Sorgen“, sagte sie. Es war schon oft genug vorgekommen, dass ihre Mutter ihr versprochen hatte, an ihrem Geburtstag nicht zur Arbeit zu müssen, aber dann hatte ihr Chef angerufen und sie musste doch wegfahren. Es würde keine Überraschung sein, wenn sie morgen früh nur von Benny und Grandpa geweckt werden würde.
„Ich hab’ ein ganz tolles Geschenk für dich!“, rief Benny.
Leslie lächelte zu ihm nach hinten. „Verrate es mir bloß nicht.“
„Mach ich nicht! Du wirst es ja hören.“
„Hören?“ Sie drehte sich nach ihrem Bruder um. Er hatte die Lippen fest aufeinander gepresst. Sie musste grinsen und schnitt das Thema nicht mehr an. Den Rest der Fahrt schwieg Benny. Wahrscheinlich, um den Fehler, zu viel verraten zu haben, wieder gut zu machen. Er redete gerne und viel, aber er merkte sofort, wenn er etwas Falsches gesagt hatte und darüber ärgerte er sich dann meistens ziemlich.
Nachdem sie die letzte halbe Stunde überstanden hatten, erreichten sie Oban. Das nachgebaute Amphitheater thronte auf dem Hügel am Rande der Stadt, auf den Straßen waren einige Touristen unterwegs. Man erkannte sie gleich an den Fotoapparaten und der übertrieben wander- und wetterfesten Kleidung. Im Sommer kamen reichlich viele Touristen nach Oban, manchmal gingen diese Massen Leslie auf die Nerven, aber dieses Jahr hatte sie den schlimmsten Teil anscheinend verpasst. Gott sei Dank. Benny wurde sofort wieder munterer, als er merkte, dass sie endlich zu Hause waren. Er bekam schnell Heimweh, aber dass ihm zwei Stunden etwas ausmachten, hätte Leslie eigentlich nicht erwartet. Immerhin hatte er die erste Woche der Ferien bei seinem Vater verbracht.
Das Haus der McEvans stand noch genauso schmal und schmutzig weiß und eingeklemmt zwischen den anderen Reihenhäusern. Von den weiß gestrichenen Fensterrahmen platzte der Lack, aber die dunkelgrüne Eingangstür musste Grandpa Mac erst vor Kurzem frisch gestrichen haben, was auch wirklich bitter nötig gewesen war. Grandpa parkte den Wagen genau vor der Haustür und half Leslie, ihr Gepäck nach oben in die Wohnung zu tragen, die sie mit ihrer Mom und Benny bewohnte. Die zweite Wohnung im Erdgeschoss gehörte Grandpa, der alleine darin lebte, seit Grandma Beth vor vier Jahren gestorben war.
Leslie kam ihn oft besuchen, wenn sie es oben in ihrem kleinen Zimmer nicht mehr aushielt. Sie mochte die gemütlich eingerichteten Zimmer von Grandpa Mac. Besonders den grünen Schaukelstuhl, der am Fenster neben dem schmalen Esstisch in der Küche stand, die gleichzeitig auch als Wohnzimmer diente. Und auch jetzt, als sie die drückende Einsamkeit der leeren Wohnung und Bennys Sponge Bob Sendung nicht mehr ertragen konnte, verschob sie das Auspacken der Koffer auf später und ging nach unten zu Grandpa Mac, der am Herd stand und Rührei mit Speck zubereitete.
Leslie setzte sich in den Schaukelstuhl und sah ihm beim Essen zu und ab und zu stellte er eine Frage über Sizilien, die Benny noch nicht gestellt hatte, doch die meiste Zeit über sagte er nichts und sie genossen das einsame Flackern des bunten Teelichts, das er auf den Tisch gestellt hatte, das laute Ticken der alten Wanduhr neben dem Telefonschränkchen im Flur und die Ruhe. Nach einer Weile bekam Leslie doch etwas Hunger und Grandpa machte ihr einen Teller Rührei, den sie sich auf die Knie stellte, um die Hände daran zu wärmen.
Spät am Abend konnte Leslie Bennys tapsende Schritte hören, als er die Treppe herunterkam und keine Sekunde später stand er auch schon in der Küchentür und schaute sie mit großen Augen an. Leslie sprang auf. Himmel, sie hatte vollkommen die Zeit vergessen, während sie sich mit Grandpa Mac unterhalten hatte.
„Ich hab’ Hunger“, murmelte Benny. Er trug schon seinen Schlafanzug mit Spiderman darauf und sein dunkles Haar war wirr und zerzaust, als hätte er schon geschlafen. Kein Wunder, dachte Leslie, als sie auf die Uhr sah. Es war halb zwölf. Sie verabschiedete sich von Grandpa und ging mit Benny wieder nach oben, um ihm etwas zu Essen zu kochen. Dann saß sie mit ihm am Tisch, um zwölf Uhr und sah zu, wie er sich hungrig einen der dicken Pfannkuchen in den Mund schob.
18
„She’s taking me places I should never have been,
She’s showing me faces I should never have seen.
Well, these are strange days we’re living in today
C’est la vie I say ….”
Leslie riss die Augen auf.
„I hope I’m old before I die
I hope I´ll live to relive the days gone
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