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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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kontaktieren, auch wenn Anne meinte, das Internet fände alles und jeden. Ihn würde es nicht finden. Jedenfalls nicht mehr Informationen über sein Leben oder seine Adresse. Leslie betrachtete den Hintergrund des Fotos. Da war der riesige Garten der Ruggieros – und Leute. So viele Leute. Im Schatten unter einem Olivenbaum saßen zwei Menschen. Einer war sehr groß, der andere, eine Frau, wirkte dünn und zerbrechlich, die Arme hatte sie vor der Brust verschränkt. Als sie sich selbst wiedererkannte, fing ihr Herz heftig an zu rasen. Mario erkannte sie nun auch. Das Bild war auf Raffaellos Geburtstagsfeier entstanden.
    „Er sieht sehr von sich überzeugt aus“, bemerkte Anne spitz. „Aber – Mann, sieht der gut aus!“
    Scheinbar hatte sie ihre Freundin im Hintergrund noch nicht bemerkt. Sie schloss das Bild wieder und öffnete eines, bei dessen Erscheinen Leslie die Kinnlade herunterfiel und sie für Sekunden das Atmen vergaß: Da war sie. Sie, wie sie mit Raffaello tanzte. Alleine auf der Tanzfläche. Fassungslos musterte sie sich selbst: dünn und unpassend gekleidet. Es war ihr nur zu deutlich anzusehen, dass sie sich unwohl fühlte. Sie konnte Raffaellos Blick sehen, der auf ihr ruhte, sein Gesichtsausdruck wirkte beinahe verletzlich.
    „Wenn das mal nicht cool ist!“, rief Anne aus und haute mit der flachen Hand auf den Boden. „Das bist du , Leslie! Wann war das? Als du diesen Brief bekommen hast?? Himmel, dein Romeo sieht aus, als wolle er dich küssen!“ Sie grinste fassungslos bis über beide Ohren. „Cool“, sagte sie tonlos. „Echt, Hammer …“
    Wie um alles in der Welt war dieses Foto ins Internet gelangt? Wer hatte es gemacht? Aber es war eigentlich kein Wunder. Raffaello war der Sohn eines bekannten Politikers, war achtzehn geworden, andere Politiker waren eingeladen gewesen – irgendwo musste sich ja die Presse versteckt haben. Ob Raffaello es auch gesehen hatte? Ob er überhaupt davon wusste? Wahrscheinlich suchte er noch nicht einmal mehr nach sich im Internet, schließlich war er es sicher gewohnt, bekannt zu sein.
    „Hey, sieh dir das an, Leslie!“, sagte Anne und vergrößerte ein weiteres Foto. Raffaello war darauf zu sehen, in einem eng anliegenden weißen Trägershirt und einer blauen Sporthose, inmitten einer Gruppe anderer Jungen, die alle stolz in die Kamera grinsten. Raffaello grinste nicht. Er wirkte viel zu ernst, obwohl er scheinbar allen Grund dazu gehabt hätte, denn er hielt einen Pokal in den Händen.
    „Schick“, bemerkte Anne. „Er hat ’nen Leichtathletikwettbewerb in der Schule gewonnen.“ Grinsend drehte sie sich zu Leslie um. „Weiß du was? Ich werde dir die Fotos ausdrucken!“
    „Vergiss es!“
    „Wieso? Sieh dir dieses T-Shirt an, dieser Blick – echt heiß, dein Romeo, wenn du mich fragst!“ Sie lachte sich beinahe kringelig.
    „Ich frag dich aber nicht“, entgegnete Leslie knurrend, nahm Anne die kleine Computermaus aus der Hand, verkleinerte das Foto wieder und schloss dann die ganze verfluchte Seite mit den vielen Raffaellos, woraufhin Anne mit einem empörten: „Hey! Was soll das?“, reagierte und beleidigt eine Schnute zog.
    „Na, dann nicht“, sagte sie, aber im nächsten Moment fing sie wieder an zu grinsen.
    „Was ist?“, fragte Leslie.
    „Ach, nichts“, behauptete Anne leichthin und zuckte die Schultern. Leslie seufzte. Anne führte irgendetwas im Schilde, dieses Verhalten kannte sie genau, aber es war sinnlos, es aus ihr herauskitzeln zu wollen. Sie würde sich gedulden müssen, aber sie hatte das unangenehme Gefühl, dass es eine Überraschung nach Anne-Art werden würde.
    Ihr Verdacht bestätigte sich eine Woche später in der Schule. Die Ferien waren nun endgültig vorüber und seltsamerweise trauerte Leslie ihnen nicht nach. Eigentlich war sie sogar froh, dass ihr Leben nun endlich wieder seinen alltäglichen, gewohnten Lauf nehmen würde. Wenn da nicht der dicke Briefumschlag gewesen wäre, den Anne ihr in der großen Pause unter die Nase hielt.
    „Hier“, sagte sie, „mach auf.“ Zögernd nahm Leslie den Umschlag entgegen. Sie zog den Packen Fotos heraus, die Anne hineingelegt hatte, drehte sie um – und hätte sie beinahe alle wieder fallen gelassen.
    „Anne, verflucht nochmal, willst du mich unbedingt umbringen?!“, fuhr sie sie an.
    „Nö“, entgegnete Anne fröhlich und wippte mit dem linken Bein auf und ab. „Ich dachte, ich tu dir einen Gefallen …“
    „Aber doch nicht gleich so viele …“,

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