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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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Grandpa Mac wieder jeden Nachmittag auf seinem Fischkutter. Der frische, kalte Atlantikwind und die raue See taten ihr gut und vertrieben für einige Stunden ihre Gedanken an ihren Schulabschluss, der nun in greifbare Nähe rückte, an Raffaello und die Sache mit Mr. Gosetti, die sie ja eigentlich gar nicht weiter interessierte. Eigentlich. Genauso, wie sie eigentlich einen gewissen, gutaussehenden Sizilianer vergessen wollte.
    Der Winter kam mit einer ganzen Menge Schnee, so viel, dass in Glasgow sogar die Armee anrücken musste, um die weißen Massen zur Seite zu schaffen. Im Advent saß Leslie oft mit Grandpa Mac vor dessen Kamin, trank eine heiße Tasse Tee und ließ sich von Grandpa Geschichten erzählen, die sie früher immer so gerne gehört hatte, und manchmal war auch Benny dabei, um von den Plätzchen, die Grandpa mit Leslie gebacken hatte, zu naschen. An Weihnachten war Leslies Mom zu Hause, ihre große Schwester Grace kam sie besuchen und sogar ihr Vater ließ sich kurz blicken und Leslie vergaß beinahe, dass sie sich vorgenommen hatte, kein Wort mehr mit ihm zu reden.
    Anne kam vorbei, um ihrer Freundin eine riesige, bunt gestreifte Socke gefüllt mit kleinen Geschenken, vorbeizubringen, darunter ein Foto von ihr und Leslie vor dem türkisblauen Mittelmeer in Sizilien – auf ein Foto von Raffaello hatte sie gnädigerweise verzichtet und Leslie stellte fest, dass es fast gar nicht mehr wehtat, an ihn zu denken. Vielleicht würde sie mit der Erinnerung an einen Urlaubsflirt doch besser leben können, als sie noch im Sommer gedacht hatte.
    Aber der nächste Sommer kam schneller als erwartet. Anne und Leslie trafen sich oft, um gemeinsam für die Prüfungen zu lernen, die kurz bevorstanden. Und dann kam der Tag, an dem sie es hinter sich hatten. Ein für alle Mal.
    Den Schulabschluss in der Tasche – Anne mit sehr guten, Leslie mit eher mittelmäßigen Noten – konnten sie es anfangs gar nicht glauben, aber bald darauf nutzte Anne ihre neugewonnene Freiheit, um den Führerschein zu machen und so oft es ging, lieh sie sich das Auto ihrer Eltern, holte Leslie vor dem kleinen Lebensmittelladen ab, bei dem sie einen Job gefunden hatte, und dann fuhren sie einfach los, quer durch die Highlands und einmal mussten sie sich sogar ein Zimmer in einem Hotel nehmen, weil Anne die weite Strecke von Oban bis Loch Ness ein wenig unterschätzt hatte und sie nicht noch mitten in der Nacht unterwegs sein wollte.
    An Leslies achtzehntem Geburtstag wurde sie, wie immer, von Benny und Grandpa Mac geweckt. Kein „ Old Before I Die ” drang an ihre Ohren, nur ein lauter Schrei: „Leslie!!“ Und dann war ihr kleiner Bruder zu ihr aufs Bett gesprungen und umarmte sie ganz fest, erstaunlich fest für so einen kleinen Kerl.
    „Gehst du jetzt weg?“, nuschelte er in ihr Nachthemd hinein und blickte mit großen, beinahe traurigen Augen zu ihr auf.
    „Was? Wieso sollte ich? Wie kommst du auf so einen Quatsch?“, fragte Leslie.
    „Na, weil du jetzt achtzehn bist!“ Leslie musste lachen und zauste Benny die dunklen Wuschelhaare.
    „Nein“, sagte sie leise, „ich lass´ dich doch nicht alleine.“ Aber insgeheim hatte sie mit Anne schon Pläne geschmiedet. Schließlich hatten sie beide beschlossen, auf keinen Fall hier in Oban zu bleiben bis ans Ende ihrer Tage. Wahrscheinlich würden sie nach England ziehen, nach London vielleicht. Anne wollte an einer Universität dort studieren und Leslie hatte keinen blassen Schimmer, was sie machen wollte.
    „Hey, Schlafmütze!“, rief jemand, und als Leslie aufsah, stand Anne in ihrem Zimmer, mit einem riesigen Strauß Sonnenblumen, einer Tüte voller Geschenke unter dem Arm und einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Grandpa Mac lehnte im Türrahmen. Jetzt winkte er Benny zu sich und machte sich mit den Worten „Ich lass euch dann mal alleine …“ mit ihm auf den Weg in die Küche zu Leslies Mom.
    Anne setzte sich zu ihr aufs Bett und legte die Blumen neben sich. Dann holte sie zwei Geschenke aus ihrer Tasche. Ein größeres, dem man schon ansehen konnte, dass es ein Buch war, und einen Briefumschlag. Zuerst öffnete Leslie das größere Geschenk. Es war ein Buch. Ein Reiseführer über Sizilien.
    „Danke …“, murmelte sie verwirrt und aus den Augenwinkeln sah sie, dass Anne sich ein Grinsen verkniff. Was zur Hölle sollte sie mit diesem Reiseführer anfangen?!
    „Mach das Nächste auf“, sagte Anne und hielt es ihr entgegen. „Dann ergibt es einen Sinn.“ Jetzt

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