Zwischen Olivenhainen (German Edition)
hallte in ihren Gedanken wider und beinahe hätte sie zu ihrem Fahrer geschaut, um sich zu vergewissern, dass es nicht Raffaello war, aber bevor sie das tun konnte, lachte sie leise auf und schob den Gedanken an ihn ganz weit in ihren Hinterkopf. Sollte er da doch bleiben. Sie legte ihre Hand auf Annes und lächelte zu ihr hinüber. Anne grinste zurück.
Nach einer Dreiviertelstunde bog das Taxi auf eine schmale Landstraße ein, der Weg wurde deutlich holpriger, und als Leslie das kleine, altmodische, aus unregelmäßigen Natursteinen gemauerte Bauernhäuschen sah, machte ihr Herz einen Hüpfer. Nachdem sie den Taxifahrer bezahlt hatten – Gott sei Dank hatte er keinen Versuch unternommen, sie übers Ohr zu hauen – standen Anne und Leslie inmitten ihres Gepäcks auf dem Schotterweg, der zum Eingang ihres neuen Heims führte, umgeben von dürrem Gras und Zypressen. Hinter dem Haus konnte Leslie sogar zwei Olivenbäume und einen mickrigen Zitronenbaum erkennen. Und dahinter das Mittelmeer. Sie waren am Arsch der Welt.
„Cool“, raunte Anne.
„Hammer“, entgegnete Leslie, obwohl das eigentlich Annes Ausdrucksweise war.
„Wie findest du’s?“, fragte Anne, nicht ohne Stolz in der Stimme.
„Es ist wunderbar“, sagte Leslie und das meinte sie auch. Grillen zirpten in den trockenen Büschen um sie herum und die Hitze raubte einem fast jegliche Luft zum Atmen, es war fernab jeder Zivilisation – aber es war grandios.
„Wir haben nur bedauerlicherweise keinen Pool“, bemerkte Anne. „Aber dafür das Meer. Hinter dem Haus führt ein Weg nach unten zu einem kleinen Strand. Lass uns heute Abend hingehen, ja?“ Leslie nickte. Eine Weile standen sie einfach da, betrachteten das Häuschen, spürten die vertraute Hitze auf ihrer Haut, und als sie endlich begriffen hatten, dass sie vollkommen alleine waren – ohne Eltern, ohne Mr. Gosetti, ohne Melissa – schnappten sie sich ihre Koffer und rannten lachend auf die hölzerne Eingangstür zu. Anne fand den Schlüssel unter der Fußmatte und dann standen sie auch schon in der Diele, ließen die Taschen fallen und liefen in jedes Zimmer, um es genau unter die Lupe zu nehmen. Das Haus war nicht sehr groß, es reichte für drei Personen, aber das war Leslie egal. Einzig und allein zählte, dass sie hier mit Anne ganze vier Wochen verbringen würde. Ganz allein. Die Einrichtung war praktisch, einfach und im altmodischen, italienischen Stil, die Wände bestanden aus groben Steinen, auf dem rot gekachelten Fußboden lagen ein paar bunte Teppiche und einige Bilder hingen an den Wänden, die Landschaften auf Sizilien darstellten. Einen Kamin gab es auch, allerdings würden sie den mit Sicherheit nicht brauchen. Das Haus hatte zwei Schlafzimmer, eins mit zwei Betten und eines mit einem breiten Doppelbett – Anne und Leslie entschieden sich für das mit dem Doppelbett. Von dort aus war die Aussicht auf das Meer auch schöner. So schnell sie konnten, machten sie sich daran, ihre Koffer auszupacken und gerade, als Leslie auf die steinerne Fensterbank kletterte, wie sie es letztes Jahr so oft getan hatte, ließ Anne ihren Stapel T-Shirts fallen und sagte nur zwei Worte:
„Oh, Scheiße!“ Irritiert schaute Leslie zu ihr herüber. Nichts Beunruhigendes war zu entdecken.
„Was ist?“, fragte sie deshalb. Anne ließ sich auf das Bett sinken.
„Wir haben kein Auto. Keine Vespas oder so“, sagte sie.
„Na und?“
„Leslie, wir befinden uns am Arsch der Welt und haben nicht daran gedacht, was zu essen zu kaufen!“
„Oh, Sch–“
„Das sagte ich doch gerade! Was um Himmels Willen sollen wir jetzt machen, Leslie?! Sollen wir verhungern? Oder zu Fuß durch die Hitze laufen und hoffen, dass wir in Palermo landen? Wir werden einen qualvollen Hungertod sterben, verflucht! Ich habe nicht vor, so früh von dieser Welt zu verschwinden …“, jammerte Anne kläglich.
Und da hatte Leslie die einzige, rettende Idee. Hektisch durchsuchte sie einen Stapel Prospekte, die auf dem Tisch im Wohnzimmer lagen – und fand einen mit Restaurantinformationen. Am Abend bestellten sie sich also eine riesige Pizza, Wasser hatte Gott sei Dank noch jede von ihnen auf dem Flughafen mitgenommen.
Anne hatte einige Schwierigkeiten damit, den Mann am anderen Ende der Leitung zu verstehen, als sie bei der Pizzeria anrief, bis sie ihm schließlich auf Englisch antwortete – da begriff er, dass sie Tourist war.
„Puh“, sagte sie und ließ sich erschöpft in den weichen Sessel vor
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