Zwischen Pflicht und Sehnsucht
bester Freund gewesen, nur ein arroganter und ablehnender Fremder. Nun, da seine Lippen heiß über die ihren glitten, strahlte er etwas ganz anderes aus: Risiko, Gefahr, Erregung. Sie begrüßte das Verlangen, das er in ihr weckte und sie erbeben ließ, und griff nach ihm, um mehr zu fordern. Er stöhnte auf, als sie die Arme um ihn schlang, und die heiße Sehnsucht wurde noch so viel stärker.
Er hatte sich kaum unter Kontrolle. Es war ihr egal. Er drückte ihren Kopf mit seinem harten Kuss nach hinten. Sie gab dem Ansturm nach und erwiderte ihn. Er presste sie gegen die Wand und ließ seine Hände nach oben gleiten, um den Kurven zu folgen, die er so bewundert hatte. Sie klammerte sich an ihn, als hinge ihr Leben davon ab.
Sie hatte seinen Panzer durchbrochen, den Mann darunter berührt. Sie wusste, seine Leidenschaft diente teilweise als Hinhaltetaktik, um zu vermeiden, dass er sich mit seinen Gefühlen auseinandersetzen musste. Aber sie war echt, und sie galt ihr. Sie nahm sie an, und während der Wind durchs offene Fenster wehte, die verblichenen Vorhänge um sie drapierte und sie in einen Kokon aus Verlangen einschloss, gab sie ihm all die inbrünstige Wärme in ihrem Herzen zurück.
Er war nicht bereit, sie anzunehmen.
Mit einem verzweifelten Stöhnen riss er seinen Mund von ihrem los und packte sie bei den Schultern. Seine Brust hob und senkte sich, während er die Augen schloss und seine Stirn an ihre legte.
„Ich erinnere mich an alles, Sophie“, keuchte er, „sogar an den Teil, den du nicht hören wolltest. Ich habe dich an jenem Tag gefragt, warum die Räume, die du zeichnest, immer leer sind. Du hast gesagt, dass sie auf die glücklichen Menschen warten, die kommen und darin wohnen würden.“
Schmerzerfüllt schloss Sophie die Augen. Sie hatte ihn zu weit getrieben.
„Tu das hier nicht“, flüsterte er. „Schaffe keine Räume für meine glückliche Familie. Es gibt sie nicht. Wird sie nie geben.“
Abrupt ließ er sie los und verließ den Raum. Er sah nicht zurück.
8. KAPITEL
Sophie stand in ihrem Zimmer, lehnte ihre Schläfe an die kühle Scheibe des Fensters und blickte gedankenverloren hinaus. Sie hatte so viel erreicht. Sie hatte Freunde gefunden, die ihr von Tag zu Tag mehr das Gefühl gaben, eine Familie zu haben. Sie war in London, sie hatte einen großen Gestaltungsauftrag erhalten, und es lief relativ glatt. Und sie konnte ihren eigenen Erfolg dazu verwenden, anderen zu helfen. Das Schicksal hatte sicher seine Hand im Spiel gehabt, als sie vor Monaten Mr. Darvey getroffen hatte, denn damals hatten sie beide etwas Hoffnung verzweifelt nötig gehabt. Die Verbindung ihrer Vision mit seinem Talent hatte einige wunderschöne Möbel hervorgebracht. Aber das war nur der Anfang gewesen. Mit ein wenig von ihrem Geld, Mr. Darveys gesundem Menschenverstand und einigen Mitgliedern seines alten Regiments hatten sie mehr hergestellt als schöne Möbel: Sie hatten Arbeitsplätze geschaffen. Sie hatte anderen genauso Hoffnung gegeben wie sich selbst.
Sie sollte sich in ihrem Erfolg sonnen, aber sie konnte ihn nicht genießen. Stattdessen war sie von endlosem, rastlosem Unbehagen erfüllt. Das war alles Charles’ Schuld, verflucht sollte er sein. Sie hatte in den zwei Wochen seit diesem unerwarteten, herzerschütternden, weltbewegenden Kuss nichts von ihm gehört oder gesehen. Und so aufreibend seine Abwesenheit auch war, schlimmer noch war ihre Unfähigkeit, ihre widerstreitenden Gefühle in Einklang zu bringen.
Als sie sich vom ersten körperlichen Schock seiner Umarmung erholt hatte, war sie außer sich gewesen. Wie konnte er es wagen, einen Moment ihrer Vergangenheit wieder aufleben zu lassen, sie mit dessen Schönheit und Innigkeit zu verführen und ihn dann zu verwenden, um sie von sich zu stoßen!
Nachdem sie etwas mehr darüber nachgedacht hatte, war sie zu dem Schluss gekommen, dass sein Kuss reine Selbstverteidigung gewesen war. Ihr geduldiges Nachbohren hatte Erfolg gehabt, und sie hatte einen kleinen Riss in dem steinernen Festungswall entdeckt, der ihn umgab. Das hatte ihm Angst gemacht. Und wie ein verängstigter kleiner Junge hatte er zugeschlagen und versucht, sie ebenso zu erschrecken.
Allerdings hatte seine Taktik genau den umgekehrten Effekt auf sie. Vielleicht ist das typisch für unsere Beziehung, dachte Sophie lächelnd. Aber sie konnte sich nicht der immensen Erleichterung erwehren, die sie erfasst hatte, als ihr klar wurde, dass es hier tatsächlich ein
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