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Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Titel: Zwischen Pflicht und Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deb Marlowe
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Rätsel zu lösen gab. Es war keine natürliche Tendenz zur Prüderie und Frömmelei, die Charles so drastisch verändert hatte. Irgendein Ereignis hatte ihn dazu gebracht, sich hinter ein Bollwerk aus kratzbürstigem Stolz zurückzuziehen. Etwas, das mit seinem toten Bruder zu tun hatte.
    Was konnte das wohl gewesen sein? Soweit sie wusste, hatte Charles und Phillip eine ganz normale, mit Reibereien durchsetzte brüderliche Beziehung verbunden. Sie hatten sich in jungen Jahren sehr nahegestanden, waren durch die Wälder getobt, hatten Ponyrennen veranstaltet und zahllose Streiche ausgeheckt. Auch später, als sie auf unterschiedliche Schulen gingen und ihr Vater Phillips Zeit immer mehr in Anspruch nahm, hatten sie sich die raue Achtung Heranwachsender voreinander erhalten.
    War etwas geschehen, um das zu ändern? Sophie wusste es nicht, aber sie würde es herausfinden. Es war eine Erleichterung, diese Aufgabe vor sich zu haben. Sie gab ihr die Hoffnung, dass Charles, wenn er sich dem stellte, wovor er sich versteckte, wenigstens eine Chance hatte, glücklich zu werden. Das zumindest musste ihr Ziel sein. Alles in ihr sehnte sich danach, dass ihr Charles wieder zu dem fröhlichen Mann von damals wurde, sogar wenn das bedeutete, dass er sein Glück ohne sie fand.
    Dieser Gedanke führte sie sofort wieder zurück zu jenem brennenden Kuss. Gütiger Himmel, jedes Mädchen träumte von einer solchen Umarmung, bei der nicht nur Körper sich trafen, sondern Seelen sich streiften. Hitze, Verzweiflung, schwindelerregendes Verlangen – alles stürzte wieder auf sie ein. Ein kleines, triumphierendes Lächeln erschien auf ihren Lippen, als sie sie berührte. Sollte er doch Miss Ashford küssen und sehen, ob sich das genauso anfühlte.
    Sie zog sich vom Fenster zurück. Heute Abend konnte er ihr nicht entkommen. Lady Dayle gab eine Gesellschaft und erwartete ihn. Es war Zeit, sich auf die bevorstehende Konfrontation vorzubereiten. Ein Seidenkleid würde heute ihre Rüstung sein, ihre Waffen nicht mehr als Entschlossenheit und ein Lächeln. Aber vielleicht würde sie auch ihr Stemmeisen mitbringen.
    „Das ist alles, was ich weiß, ich schwöre beim Grab meiner Mutter!“
    „Mehr haben Sie mir nicht zu sagen?“ Charles ließ den Herausgeber des „Augur“ los. „Ein kleiner, dunkelhaariger Mann. Kein Name? Keine Ahnung, für wen er arbeitet?“
    „Nein, nein. Er kam nachts und ließ mir eine dicke Mappe mit Unterlagen da – alles über Sie.“
    „Und eine dicke Geldbörse, möchte ich wetten.“ Charles schnaubte. „Was genau war in der Mappe?“
    Der Mann beäugte ihn von oben bis unten. „Eine schöne lange Aufstellung Ihrer Laufbahn als Krawallmacher, Mylord.“ Er kicherte. „Ich muss Ihnen zu Ihrer Kreativität gratulieren! Wir haben nicht mal die Hälfte des pikantesten Zeugs davon veröffentlicht bekommen.“
    „Sie sind sicher, dass dieser kleine dunkelhaarige Mann nie erwähnt hat, wo er die Mappe herhatte?“
    „Nein, er sagte immer ‚mein Auftraggeber‘ will dies, ‚mein Auftraggeber‘ will das. Aber wer es auch ist – mir scheint, er hat Sie lange Zeit beobachtet.“
    Charles war in der Erwartung hergekommen, das Rätsel zu lösen; stattdessen wurde alles nur noch verworrener. Frustriert ließ er sich auf einen Stuhl in der Nähe fallen. Sein Gegenüber beobachtete ihn misstrauisch, während er seine Geldbörse aus der Tasche zog. Er warf sie auf den zerkratzten Schreibtisch. „Das ist ein Zeichen meines Vertrauens. Ich glaube, Sie haben mir alles gesagt, was Sie wissen, und ich glaube, Sie werden mich unverzüglich kontaktieren, wenn Ihnen noch etwas einfällt.“
    Der Halunke schnappte nach der Börse. „Ich schwöre, das ist alles.“
    Charles zückte eine weitere, dickere Geldbörse. „Das hier werde ich Ihnen geben, wenn Sie sich einverstanden erklären, eine weitere Geschichte über mich zu drucken. Eine wohlwollende.“
    Der Mann wog die erste Börse in einer Hand und starrte auf die andere. „Ich will Sie nicht beleidigen, aber Ihre wilde Jugend ist das Interessanteste, was Sie zu bieten haben. Was sonst sollte die Leser anziehen?“
    „Die Wahrheit. Eine Entschuldigung für den Schaden, den Sie mir zugefügt haben. Schreiben Sie irgendwas darüber, was ich Gutes im Parlament erreicht habe, die Wohltätigkeitsorganisationen, die ich unterstütze, so was in der Art. Führen Sie Ihre Recherche diesmal selber durch, Mann. Schreiben Sie eine wahre Geschichte.“
    Er nickte zustimmend und

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