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Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Titel: Zwischen Pflicht und Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deb Marlowe
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ich dachte, du willst dich vielleicht von ihnen verabschieden.“
    „Ja, natürlich, lass mich nur eben diese Abmessungen fertigmachen.“ Sie wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
    Charles blieb an den Türrahmen gelehnt stehen.
    Schließlich rollte sie ihr Maßband auf, stieg die Leiter hinab und versuchte, ihre Kleidung in Ordnung zu bringen. Der vertraute Anblick schmerzte ihn unerwartet und brachte ihn doch zum Lächeln. Es war so leicht und ungezwungen, mit Sophie zusammen zu sein.
    „Was ist?“ Sie fuhr sich mit einer schmutzigen Hand über die Wange und machte es damit nur schlimmer.
    „Nichts.“ Er lachte. „Du bist nur überall voller Schmutzflecken, deine Frisur löst sich auf, und du siehst genauso aus wie damals mit elf.“ Er ließ seinen Blick über die weiblichen Rundungen gleiten, die ihre Figur damals nicht geziert hatten. „Na, vielleicht nicht ganz.“ Er war unfähig, die heisere Anerkennung in seiner Stimme zu verbergen.
    Sophie erstarrte und antwortete nicht.
    Er trat in den Raum und versuchte, sein Verlangen zu unterdrücken. „Ich wollte es vor den anderen vorhin nicht sagen, aber ich erinnere mich an das erste Mal, als wir über deine Kunst gesprochen haben. Weißt du noch?“
    Sie bewegte sich immer noch nicht. „Ja.“
    Ihre gleichzeitig erwartungsvolle wie unsichere Haltung setzte ihm zu. Sein Herz pochte. Gott, war sie schön.
    „Es war ein heißer Sommer, und wir versuchten, im Pavillon am See etwas Kühlung zu finden. Du hast wieder mal einen deiner Räume gezeichnet, die nur in deinem Kopf existierten. Ich weiß noch, wie eine Brise die Blätter rascheln ließ.“ Seine Stimme füllte den Raum zwischen ihnen, hüllte sie ein und entführte sie in eine andere Zeit.
    „Ich hatte dich noch nie zuvor gefragt, warum du diese imaginären Salons und Küchen, Ballsäle und Boudoirs kreierst, statt wie jedes andere Mädchen Blumen oder Landschaften zu zeichnen. Aber an jenem Tag habe ich dich beobachtet, die Intensität in deinen Augen, die Hitze der Sonne auf deinen Wangen, den Wind in deinen Haaren. Und ich habe gefragt. Weißt du noch, was du mir geantwortet hast?“
    Ihre Augen waren geschlossen. Sie war in der süßen Sommerwärme von damals verloren. „Ja.“
    „Du hast vom Lagerhaus deines Vaters gesprochen und wie er dich dorthin mitgenommen hatte. Du hast den Staub in der Luft beschrieben, das Sonnenlicht, das in die schattigen Räume drang und Kisten und Regale beleuchtete, die Möbel, die Gemälde, das Porzellan … Du hast mir erzählt, wie du als kleines Mädchen dort immer von den Häusern geträumt hast, wo diese schönen Dinge hingeliefert wurden, und von den Räumen, die sie schmücken würden.“
    Sophie riss die Augen auf, und der Zauber war gebrochen; nun wirkte ihr Blick angstvoll. Charles erkannte, dass sie ihn nicht weitergehen lassen wollte. Sie hob das Kinn. „Ich bitte dich, erwähne das nicht Miss Ashford gegenüber. Ich wurde gerade erst davor gewarnt, über meine Herkunft als Tochter eines Kaufmanns zu sprechen.“
    Er akzeptierte ihren Rückzug. „Es tut mir leid, wenn sie dich gekränkt hat.“
    Sophie hob die Schultern. „Ich bin sicher, sie hat es gut gemeint.“
    Er seufzte. „Jedenfalls bin ich sicher, dass sie das zumindest glaubt.“
    „Was höre ich da?“ Die alte Sophie war zurück und grinste verschmitzt. „Die Brautwerbung wandelt auf holprigen Pfaden?“
    „Nein, aber vielleicht wäre mir das lieber. Alles wäre besser als das fade, unaufregende Terrain, das wir bisher durchquert haben.“
    „Ich bin froh, dass du das sagst. Ich hatte schon befürchtet, du würdest es nicht sehen.“
    Die Erleichterung in ihrer Stimme überraschte ihn. „Was sehen?“
    „Wie schlecht ihr beide zusammenpasst. Ich dachte, ich würde mich anstrengen müssen, um dich aus ihren Klauen zu befreien.“
    Charles zuckte zusammen. „Du verstehst das falsch. Ich hätte nicht so reden dürfen, das war ein Fehler.“
    Sie starrte ihn an. „Der einzige Fehler wäre es, sie weiter zu umwerben.“
    „Mach dich nicht lächerlich. Es ist eine vorteilhafte Verbindung für beide Seiten.“ Über dieses Thema wollte er sich nicht mit Sophie unterhalten.
    „Charles, ich habe dich mit ihr zusammen gesehen. Dich beobachtet.“ Sie sprach geduldig, als wäre er ein Kind, zu jung, um die Dinge klar zu sehen. „In ihrer Gesellschaft verschwindest du. Da steht nur noch ein nüchterner, ernster Fremder an deiner Stelle.“
    „Das ist genau der beabsichtigte Effekt.“

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