Zwischen Rom und Mekka
revolutionierte das System.
Leo III. suchte Schutz bei Karl dem Großen in Paderborn. Nicht nur gegen seine Widersacher in Rom und im Umland, sondern auch gegen die Muslime, die seit dem 7. Jahrhundert von Süden gegen Europa und die Apenninhalbinsel drängten. Und der Franke ging darauf ein. Unter folgender Bedingung, so schrieb der König über die Trennung der Gewalten: »Unsere Aufgabe ist es, mit Gottes Hilfe die Heilige Kirche Christi nach außen durch die Waffen überall gegen die Einfälle der Heiden und die Verwüstungen durch die Ungläubigen zu verteidigen, nach innen sie durch die Erkenntnis des wahren Glaubens zu festigen. Eure Aufgabe ist es, Heiliger Vater, wie Moses die Arme zum Gebet zu erheben und so unserem Heere zu helfen […].« Dafür gab der römische Bischof dem Frankenkönig Karl die Schlüssel zum Grab des Apostelfürsten Petrus und das Banner Roms und krönte ihn schließlich am Weihnachtsfest des Jahres 800 in der Petersbasilika in Rom zum Kaiser.
Einfälle der Heiden - Verwüstungen durch die Ungläubigen
Mit dem Hinweis auf »die Einfälle der Heiden und die Verwüstungen durch die Ungläubigen« waren vor allem die muslimischen Sarazenen gemeint. Hatte der germanisch-römische Kaiser damit künftige Religionskriege festgeschrieben? Schon Karls Großvater, Karl Martell, hatte 732 die Muslime bei Tours und Poitiers geschlagen und nach Spanien zurückgetrieben. In Italien hingegen waren arabische Muslime eingedrungen und geblieben, zuerst auf den Inseln, beginnend mit Pantelleria, Sizilien und Sardinien, dann in Süditalien, in Kalabrien und Apulien.
Diese Eroberungen muss man nicht als Religionskriege im strengen Sinn ansehen. Es waren die Feldzüge von Mächtigeren, in diesem Fall Muslimen, gegen Schwächere, gegen Italiener ohne den Schutz des alten Imperiums. Der Stärkere zog gegen den Schwächeren. So war es immer in der Geschichte.
Zwanzig Jahre nach Leos III. Tod etwa rief der Herzog von Neapel im Kampf gegen seinen christlichen Rivalen, den Herzog von Benevent, die Muslime zu Hilfe. Den aufstrebenden Seerepubliken des Südens wiederum, Amalfi, Neapel und Gaeta, waren die piratisierenden Sarazenen für ihren Handel (mit Byzanz und »ordentlichen« muslimischen Mächten) und die Sicherheit der Küstenorte ein bedrohlicher Störfaktor.
Dreißig Jahre nach Leos Tod erschütterte ein Raubzug der Sarazenen gegen Rom das Abendland. Der beste Kenner und Autor der »Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter«, Ferdinand Gregorovius (1821-1891), als Protestant weinerlicher Sympathien mit römischem Missgeschick und dem Papsttum unverdächtig und wegen seiner kritischen Einstellung auf den kirchlichen »Index der verbotenen Bücher« gesetzt (1874, unter Pius IX.), beschreibt (Fünftes Buch, Band I,2), gestützt auf alte Quellen und die mittelalterlichen Chronisten, zusammenfassend, was geschah:
»Während sich diese Araber auf dem südlichen Festlande [Italiens] einnisteten, […] waren die Wünsche dieser kühnen Piraten
auf Rom gerichtet; hier hofften sie die Fahne des Propheten auf dem St. Peter aufzupflanzen und die mit Schätzen der Kirche angefüllte Stadt auszuplündern.
Im August 846 segelte eine sarazenische Flotte in die Tibermündung; die päpstlichen Wachen in Neu-Ostia wurden übermannt oder verachtet. Wir wissen nicht, ob sie Rom wirklich bestürmten, da kein Chronist davon erzählt; aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die Römer ihre Mauern gut verteidigten, während der mauerlose Vatikan und St. Paul preisgegeben wurden. Zwar wehrten sich Sachsen, Langobarden, Friesen und Franken, welche am vatikanischen Borgo angesiedelt waren, aber sie erlagen der Übermacht, worauf die Sarazenen ungehindert den St. Peter plünderten.«
Ungeheure Schändung zum Jammer der Christenheit
»Dieser Tempel war durch ein halbes Jahrtausend - seit dem 4. Jahrhundert, als das Christentum Macht gewann - seines Bestehens und durch große Akte der Weltgeschichte der ganzen Christenheit heilig geworden. Die Fußstapfen der Jahrhunderte, die Spuren vom Leben, Pilgern und Sterben der Menschheit auf Erden schienen dem nie entweihten Boden dieser Basilika eingedrückt. Wie viele Kaiser und Könige waren in ihr, und zu welchen Zeiten, ein- und ausgegangen, deren Namen verschollen und deren Reiche schon zerfallen waren, und wie viele Päpste ruhten dort in ihren Grüften. Keine geweihtere Stelle kannte die Ehrfurcht des Abendlandes, und dies Schatzhaus des christlichen Kultus, welches weder Goten
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