Zwischen Rom und Mekka
deutsche Papst - die Rede Benedikts XVI. am 12. September 2006 in der Universität zu Regensburg und die Reaktionen darauf -, der den Deutschen, allen, so richtig zu Bewusstsein brachte, dass die Anhänger des Jesus Christus und die des Propheten Mohammed in Spannung zueinander stehen. Dass es zwischen dem Islam und einer pluralistischen Gesellschaft, in der mit Berufung auf die Freiheit alles gesagt werden darf, Gegensätze gibt. Dass die Wünsche nach Ausgleich und Integration des Fremden noch nicht die realen Konflikte wirklich lösen können.
Christen und Religionslose wunderten sich in jenem Herbst 2006, dass ein paar Worte Benedikts über den Begründer des Islam, noch dazu als Zitat, so viele Emotionen schüren konnten. »Draußen« in der Welt, gewiss, das hätte man im Fernsehsessel hingenommen. Aber auch in Deutschland, wie die scharfen öffentlichen Reaktionen von Muslimvertretern und von gekränkten Muslimen im Privaten zeigten. Gläubige Christen, aber auch Nichtkonfessionelle staunten über ihre mehr als drei Millionen muslimischen Mitbürger, die religiös sensibel reagierten in der liberalen, religiös weitgehend unempfindlich gewordenen Gesellschaft der Bundesrepublik des 21. Jahrhunderts.
Was sollte die Aufregung in der »Berliner Republik«? Sind es nicht alle Bürger desselben Staates, oder Aspiranten darauf, denen die Beleidigung Mohammeds ebenso gleichgültig oder wenig aufregenswert sein könnte wie die üblichen Schmähungen
des Christlichen, nach denen nur noch selten ein hinterwäldlerischer Hahn kräht?
»Alle Religionen sind gleich und gut«
Schon vor zweieinhalb Jahrhunderten galt, wie Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) bemerkte, als »Berlinische Freyheit«, »gegen die Religion so viel Sottisen zu Markte zu bringen, als man will«. Damit war natürlich die christliche Religion gemeint, und der Spott von Aufgeklärten darüber. Der große Aufklärer Lessing hatte es jedoch kritisch gemeint und hinzugefügt, dass sich »ein rechtlicher Mensch dessen schämen« soll. Aber es blieb in Preußens und Deutschlands Hauptstadt modern, geradezu ein Erweis von intellektueller Überlegenheit, über Religion zu spotten und verächtlich von Religiösem zu reden. Oder sie wenigstens nicht ernst zu nehmen oder ganz gleichgültig zu bleiben. Wie es der Preußenkönig Friedrich II. tat, der zur gleichen Zeit, 1740, in eigenwilligem Deutsch schrieb: »Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leute, so sie profesieren [bekennen], erliche Leute seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren [bevölkern], so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen.« Und weiter: »Jeder soll nach seiner Façon selig werden.«
Das war vom König zunächst auf Katholiken (aus Schlesien) und Hugenotten (aus Frankreich) gemünzt, galt jedoch im 20. Jahrhundert auch für Muslime. Doch nicht Indifferenz oder der Dialog der Religionen ließ die erste Moschee in Deutschland entstehen, sondern der Krieg der Nationen. Es wirkt fast rührend menschlich, dass man während des Ersten Weltkriegs für muslimische Kriegsgefangene (aus der britischen und russischen Armee) in dem Lager Wünsdorf bei Berlin auch eine einfache Moschee mit Minarett errichtete; sie wurde am 13. Juli 1915 feierlich eröffnet. Nicht die Religionen führten Krieg, sondern Staaten, war die Überzeugung.
Stattlicher fiel dann die Mutter aller deutschen Moscheen aus, die Ahmadiyya, in Berlin-Wilmersdorf, Brienner Straße, am 26. April 1925 eingeweiht. Sie schien mir als Junge, als ich immer
mal wieder daran vorbeiradelte, nicht beunruhigend groß für Berliner Verhältnisse. In den Zwanzigerjahren gab es im Deutschen Reich der Weimarer Republik nach statistischen Angaben 3000 Muslime, davon etwa zehn Prozent mit deutschem Hintergrund.
Das ist jedoch der Unterschied. Mehr als 80 Jahre, drei Generationen später sind es 1000-mal mehr. Es sind nicht mehr vereinzelte, auch nicht mehr nur reiche Teppichhändler, die ihren Geschäften nachgehen. Es sind mehr als drei Millionen Muslime, die sich schwerlich übersehen lassen, eigene Viertel bevölkern, eine »Parallelgesellschaft« bilden und ihren sichtbaren Platz beanspruchen. Sie wurden einmal (seit 1961) als Gastarbeiter nach Deutschland gerufen und als billige Arbeitskräfte willkommen geheißen. Jetzt jedoch sind es Mitbürger, deren Rechte und Pflichten noch einer staatlichen und gesellschaftlichen Einordnung harren. Von ihrer Seite, von deutscher Seite. Innenminister
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