Zwischen Rom und Mekka
verbreitete Meinung oder Hoffnung bestimmt, durch besseres Kennenlernen der Muslime, durch ein tieferes Verständnis des Islam würden sich Vorbehalte, Misstrauen oder gar Gegnerschaft von allein auflösen. Gewiss ist ein Studium des Islam, seiner Geschichte und politischen Ausprägungen nützlich. Andererseits kann dies kaum - außer für die beteiligten Experten - als unerlässliche Bedingung für einen Dialog (im weiten Sinn) verlangt werden. Zudem erschöpft sich der Dialog weder von der einen noch von der anderen Seite in der Vorleistung dieser besseren Kenntnis; vielleicht macht dies ihn sogar schwieriger und verwickelter. So wie man von Muslimen nicht eine genaue Kenntnis der Trinitätslehre einfordern darf, damit ihr Vorwurf gegenstandslos wird, Christen würden nicht an einen Gott, sondern wegen der Dreifaltigkeit an drei Götter glauben.
Die zweite Deutung, vor der Benedikt warnt, betrifft die Erwartung, durch Dialog würden der bisherige Antagonismus der Religionen und der Streit der Religiösen einmünden in ein allgemeines Weltethos. Nicht wenige Diskussionsteilnehmer auf dem west-östlichen Diwan meinten, so der päpstliche Verdacht, dass im Dialog aus erbitterten Religiösen durch eindringliches Zureden Menschen guten Willens würden. Je weniger religiös, desto besser für den Weltfrieden - dieser Schlussfolgerung muss der Papst widersprechen.
Der bekannte Schweizer Theologe Hans Küng repräsentiert wohl am besten diese beiden Positionen, die Benedikt nicht ablehnt, aber doch relativiert. Hans Küng hat als junger Experte die Einsichten und Reformen des Konzils erlebt. Er hat dann einen wackeren Kampf gekämpft gegen traditionelle profilierte Lehren in seiner Kirche. Er ist in den Neunzigerjahren, mit sicherem Gespür für die Erfordernisse der Zeit, eingetreten
in das Studium der Weltreligionen und hat lehrreiche Bücher über die drei abrahamitischen Offenbarungsreligionen vorgelegt, »Das Judentum« (1991), »Das Christentum« (1994) und schließlich »Der Islam. Geschichte, Gegenwart und Zukunft« (2004). Zugleich suchte er durch die »Stiftung Weltethos« mit der finanziellen Unterstützung von Wohlmeinenden das Gespräch zwischen den Anhängern verschiedener Religionen zu fördern. Dabei hat sich Hans Küng immer wieder von den offiziellen Lehren seiner Kirche distanziert: der Unfehlbarkeit des Papstes, dem Nein gegen künstliche Empfängnisverhütung, dem strikten Verbot der Abtreibung, der Nichtzulassung von Frauen zur Priesterweihe oder dem Gebot der Ehelosigkeit für Priester (Zölibat), allgemein von dem Absolutheitsanspruch der katholischen Kirche und ihres Lehramts. Weniger katholisch, umso offener für den Dialog? Auch dem muss der Papst widersprechen.
Hans Küng - Kein Weltethos
Für den Versuch der Anpassung an die Forderungen der Zeit oder der Aufweichung traditioneller Strukturen der katholischen Kirche wurde Hans Küng von vielen gelobt, von anderen mit Misstrauen bedacht. Die Hauptfrage war lange, ob der Schweizer Theologe aus der Tübinger Universität heraus die Papstkirche repräsentiere und ihre weitere Entwicklung bestimme. Sie wurde dadurch beantwortet, dass nicht Hans Küng zum Kardinalpräfekten der vatikanischen Glaubenskongregation ernannt und zum Papst gewählt wurde, sondern Joseph Ratzinger. Das war eine Entscheidung gegen die Liberalisierung des Katholischen und weiter die Grundausrichtung für den profilierten Dialog zwischen Religiösen, nicht für einen weichen Dialog zwischen religiös Entschärften oder Erschlafften.
Dies gilt auch für die sogenannten »moderaten« Muslime. Der Dialog mit ihnen erscheint nur dann für das Ganze sinnvoll und fruchtbar, wenn deutlich wird, wen und was sie innerhalb der muslimischen Weltgemeinde repräsentieren. Ihre Mäßigung richtet sich in erster Linie an ihre Glaubensgenossen für einen
innermuslimischen Entwicklungsprozess. Ob sie damit Dialogbereite in pluralistischen Gesellschaften beeindrucken, ist weniger für die beiden Weltreligionen entscheidend.
Dabei bleibt offen, ob den Muslimen die religiös schwachen aufgeklärten Christen im Dialog willkommener und angenehmer sind als die aus Überzeugung gefestigten Katholiken wie der Papst. Die Letzteren mögen in ihnen die Erinnerung an Kreuzzüge hervorrufen. Die Ersteren werden jedoch auch verbunden mit dem Kolonialismus der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte. Denn der westliche Kolonialismus war oft, offenbar bis heute, bis zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak,
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