Zwischen Rom und Mekka
allein diese Vorrede soll nicht zu einem Bande anschwellen, und das Hauptsächlichste ist ja bereits dem Philosophen genügend bekannt, während es nicht meine Absicht ist, den übrigen diese Abhandlung zu empfehlen, da ihnen schwerlich darin etwas in irgend einer Beziehung gefallen wird. Denn ich weiß, wie hartnäckig gerade die Vorurteile dem Geist anhaften, die unter dem Schein der Frömmigkeit aufgenommen worden sind, und ich weiß auch, dass es unmöglich ist, der Menge den Aberglauben wie die Furcht zu benehmen; ich weiß endlich, dass die Hartnäckigkeit der Menge zähe ist, und dass sie sich nicht durch die Vernunft leiten, sondern durch die Leidenschaft zum Lob und Tadel hinreißen lässt. Ich lade deshalb den großen Haufen und alle, welche die gleichen Leidenschaften mit ihm hegen, zum Lesen dieser Schrift nicht ein, vielmehr ist es mir lieber, sie legen sie ganz beiseite, als dass sie sie wie alles verkehrt auslegen und damit lästig fallen.«
Eine großartige Bereitschaft zum Dialog, aber noch mehr Vertrauen in die Macht der Vernunft spricht aus Spinozas Worten:
»Ich muss […] erinnern, dass ich alles, was ich schreibe, willig dem Urteil der höchsten Staatsgewalt meines Vaterlandes unterbreite. Sollte diese finden, dass das, was ich sage, im Widerspruch mit den Gesetzen des Landes stehe oder dem allgemeinen Wohl Schaden bringe, will ich es nicht gesagt haben; denn ich weiß, dass ich ein Mensch bin und irren kann. Indes habe ich mich ernstlich vor Irrtümern zu bewahren gesucht und
vor allem gesorgt, dass alles, was ich schrieb, mit den Gesetzen meines Landes, mit der Frömmigkeit und den guten Sitten durchaus übereinstimme.«
Benedikts Antwort in Regensburg war: »In diesen großen Logos, in diese Weite der Vernunft laden wir beim Dialog der Kulturen unsere Gesprächspartner ein.«
Zu diesem Dialog hat Spinoza schon vor dreieinhalb Jahrhunderten mit seiner ruhigen und klaren, rationalen Kritik an Religion und Glauben, an Synagoge und Kirche, an deren Dienern und Traditionen, an göttlicher Offenbarung und heiligen Schriften eingeladen. Christen sind ihm darin zuerst gar nicht, dann nur einige, andere widerwillig und gezwungen gefolgt. Mit Spinoza begann ein Besinnungsprozess im Verhältnis zwischen Glaube und Vernunft, der nach Benedikt XVI. ein Hauptthema der Moderne ist. Die Muslime werden sich davon nicht ausschließen können, ob sie Spinoza beim Namen nennen oder nicht. Dessen fundamentale Ideen wirken fort.
(Diese Ausführungen über Spinoza stützen sich auf Gedanken, die der Verfasser als Herausgeber der »Bibliothek der verbotenen Bücher« als Einführung zur »Ethik« von Spinoza zu der hier behandelten Problematik von Glauben und Vernunft, der menschlichen Kritik an Religion, Kirche, Offenbarung und heiligen Schriften veröffentlicht hat, im Marix-Verlag, Wiesbaden 2007.)
Ausblick
Kaum war der große Dialog auf dem ersten Seminar des Katholisch-Muslimischen Forums Anfang November 2008 im Vatikan zu Ende, mit den geheimen Sitzungen in der Via della Conciliazione, der »Straße der Versöhnung«, und der öffentlichen Konferenz in der Gregoriana-Universität, mit der schönen gemeinsamen Erklärung und den Unterschriften der Autoritäten von beiden Seiten, überraschte Benedikt XVI. mit der Erklärung: Streng genommen könne es gar keinen interreligiösen Dialog geben. Also auch keinen mit dem Islam!? In einem Brief-Vorwort für das Buch des ehemaligen italienischen Senatspräsidenten Marcello Pera, »Perchè dobbiamo dirci cristiani« (»Warum wir uns Christen nennen müssen«), das Ende November 2008 in Italien (im Mondadori-Verlag) veröffentlicht wurde, lobte Benedikt die Analysen des Senators Pera und schrieb kurz und bündig, ein interreligiöser Dialog »im engen Sinn« sei, so wörtlich, »nicht möglich«.
Wie war das zu verstehen? Wollte der Papst seine eigenen Bemühungen um den Dialog mit anderen Religionen, und vor allem mit der konkurrierenden anderen Weltreligion, dem Islam, desavouieren und entwerten? Musste er etwas richtigstellen, sich etwa gegen den Vorwurf verteidigen, er gebe Positionen der römisch-katholischen Kirche preis? Oder war es seine Absicht, die muslimischen Autoritäten vor Anklagen des Verrats der eigenen Religion zu schützen?
Aus dem Gesamten der katholischen Theologie und spezifischen Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils, aus anderen Darlegungen und bisherigen Veröffentlichungen des Papst-Theologen Ratzinger wird deutlich, dass
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