Zwischen Rom und Mekka
verbunden mit einem starken säkularen Sendungsbewusstsein, den muslimischen Völkern die Errungenschaften von Aufklärung und Zivilisation, westliche Werte und Ordnungen, zu bescheren. Bei den Kreuzzügen hingegen fehlte, wie dargestellt, die Grundabsicht zur Missionierung.
Aber darüber mögen sich Historiker die Köpfe heiß denken und reden und zu verschiedenen Ergebnissen kommen. Von weltpolitischer Wichtigkeit ist, dass ein interreligiöser Dialog (im weiten Sinn) die gemeinsamen Werte auch außerhalb des Religiösen (im engen Sinn) aufdeckt und verteidigt. Das ist in den letzten Monaten und Jahren mit zufriedenstellenden Ergebnissen geschehen. Diese gemeinsamen Werte, nicht nur christlich-katholische, nicht nur muslimische, sondern universale, allen Menschen vertraute Werte wie Gewaltverzicht, Ablehnung von Terrorismus und Verzicht auf Zwang in Glaubenssachen, Gerechtigkeit und Solidarität für eine Zivilisation der Liebe, Menschenrechte, Würde des Einzelnen und Gleichheit aller, wurden immer wieder, wie dargestellt, von den Päpsten und ihren Beauftragten sowie von muslimischen Autoritäten proklamiert. Das ist richtig und wichtig, für die Zukunft entscheidend und hoffnungsvoll.
Säkularreligion der Religionslosen
Der Dialog zwischen Kirche und Moschee, den Päpsten und den Muslimführern betrifft aber deshalb nicht nur die Religiösen. Ein interreligiöser Dialog im engen Sinn könnte die Religionslosen
in den westlichen Gesellschaften auch gleichgültig lassen. Doch gerade weil es nicht um diesen Dialog geht - nicht darum, ob man eine Einigung darüber findet, ob Jesus Christus der Sohn Gottes oder Mohammed der unüberbietbare letzte Prophet Allahs sei -, sind die Religionslosen in diesen Dialog mit hineingenommen. Denn auch ihnen muss an den gemeinsamen Werten gelegen sein.
Noch aus einem anderen wesentlichen Grund. In der westlichen Kultur Europas und Nordamerikas wurden die entscheidenden Werte von Aufklärung und Freiheit auch gegen die Religion und gegen den Streit der Konfessionen erkämpft. Daraus sind Überzeugungen entstanden, die zur Gestaltung eines modernen Gemeinwesens führten und in ihrer Kraft einer Säku lar-»Religion« gleichkommen. Die historischen Stationen dieser westlichen Zivilreligion sind die »Erklärung der Rechte und Freiheiten der Untertanen« von 1689 (»Bill of Rights«), die »Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika« (1787) mit den Zusatzartikeln von 1791 und die »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte« durch die Nationalversammlung von Frankreich (1789).
Freiheit der Religion - Freiheit von Religion
In allen drei Erklärungen wird die Freiheit der Religion ebenso wie die Freiheit von Religion als eines der wichtigsten Menschenrechte hervorgehoben. So richtet sich 1689 die englische Erklärung »Bill of Rights« gegen den Zwang in Glaubenssachen und bezweckt die »Befreiung dieses Königreichs von Papismus und Willkür«. Das geschah im Todesjahr jenes Papstes, Innozenz’ XI., welcher 1679 den Bannstrahl gegen Spinozas religionskritischen »Tractatus« schleuderte und 1683 den endgültigen Sieg des Abendlands über die Türken bei Wien feiern konnte. So wichtig war den amerikanischen Gründungsvätern die Überwindung der Religionsstreitigkeiten, dass sie als ersten Zusatzartikel zur Verfassung mit dem Verbot für alle Zeiten aufstellten: »Der Kongress soll kein Gesetz erlassen, das die Einrichtung einer Religion zum Gegenstand hat oder deren freie Ausübung
beschränkt […]« Im Artikel 10 der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte heißt es: »Niemand soll wegen seiner Meinungen, selbst religiöser Art, beunruhigt werden, solange ihre Äußerung nicht die durch das Gesetz festgelegte öffentliche Ordnung stört.«
Diese »westlichen« Menschenrechte und Grundwerte wurden universal, gültig für alle Menschen durch die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen« vom 10. Dezember 1948. Auch wenn diese Erklärung die Basisrechte und Grundfreiheiten »ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand«, erweitert um nur dringlich Wünschenswertes wie das Recht auf Erholung und Freizeit, Bildung und Kultur, sind diese Grundsätze in keinem Dialog mehr verhandelbar, sondern nur als Verpflichtung in der politischen Praxis zu verwirklichen. Sie bilden, so scheint
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