Zwischen Rom und Mekka
Schäuble gibt sich alle Mühe.
Muslime in Deutschland
Ende März 2008 legte das Nachrichtenmagazin »Spiegel« in einem Special-Heft eine Bestandsaufnahme über Muslime, vor allem in Deutschland, vor. Unter dem Titel: »Allah im Abendland. Der Islam und die Deutschen«. Beginnend mit den Sätzen: »Muslime werden hierzulande immer wieder mit Fundamentalismus und Fanatismus, mit Gewalt und vormodernen patriarchalischen Traditionen gleichgesetzt. Der Vielfalt der mehr als drei Millionen Anhänger Allahs werden Pauschalurteile nicht gerecht, die Spannweite reicht von islamistischen Eiferern bis zu weltoffenen, liberalen Muslimen, die sich der westlichen Gesellschaft angepasst haben.«
In diesem Sonderheft wird informativ beschrieben, wie es jenseits der Klischees und Vorurteile mit den Muslimen in Deutschland wirklich steht, zwischen Identität und Integration, zwischen Religion und Tradition, Toleranz und Terror. Jeder Artikel ist ein zutreffendes Fragment über deutsche Neben- und Unter-Welten:
- das Leben in einer Subkultur oder Parallelwelt, die längst keine Nische mehr ist;
- der Irrtum, die Muslime nur über ihre Religion zu definieren;
- der Anpassungsprozess der Muslime (oder dessen Verweigerung);
- Meinungsumfragen unter Muslimen als Spiegelung von Zahlen und Realitäten im Entstehen;
- die öffentlich immer wirksameren Islamverbände und ihre Funktionäre;
- die Wege des Islam nach Deutschland;
- der Euro-Islam als sanfte, liberale Version des Allah-Glaubens;
- prominente Muslime und ihr Glaube im Alltag;
- Altenheime für Türken;
- die eigenwillige Minderheit der Aleviten;
- die Ahmadiyya-Gemeinde, die mit der Polizei kooperiert;
- die kontraproduktive Kritik am Islam, die Hinwendung zum Propheten Mohammed bewirkt.
Alles lässt nur einen Schluss zu: Islam und Muslime sind selbstverständlich in Deutschland.
Wenn in dem »Spiegel Special« berichtet wird über Religion und Tradition, so wird gestritten über:
- Kuppeln und Minarette beim Neubau von repräsentativen Moscheen;
- das Kopftuch für Frauen oder weitergehende Verhüllungen;
- muslimische Sitten und Frauenrechte;
- den Islamunterricht auf Deutsch;
- über Konversionen (zum Islam), aus Liebe oder religiösem Eifer;
- Störungen im christlich-islamischen Dialog;
- Hilfe für Frauen bei Zwangsheiraten;
- eine Imamin, die deutschsprachige Muslime betreut;
- islamische Bestattungsriten auf deutschen Friedhöfen;
- die Schächtung von Tieren nach den Regeln des Koran;
- und schließlich die vom Propheten abgefallenen Ex-Muslime und ihren Zentralrat.
In den Kapiteln über Toleranz und Terror erfährt man weniger über den Islam, zum Beispiel als Antwort auf die päpstliche Kernfrage nach der Gewalt, sondern mehr über die Neigung von Deutschen in Deutschland, dem Vorurteil über jederzeit gewaltbereite Muslime nachzugeben, aber auch, sich noch nach den alten Träumen von konfliktfreier Integration und vom Guten in jedem Menschen zurückzusehnen. Wenn es etwa heißt: »Ein verhindertes und ein unterbliebenes Attentat genügten, eine Mehrheit der Bevölkerung dazu zu bewegen, einen massiven Abbau von Verfassungsrechten zu befürworten.« Oder Beamte im Innenministerium zu »bizarren Denkanstößen« zu verleiten oder die Verantwortlichen im Bundesnachrichtendienst überall Gefahren wittern zu lassen. Es bedarf schließlich gar keiner blutigen Anschläge mehr; die Deutschen leben ohnehin in Angst und Schrecken vor muslimischer Gewalt.
Nach diesen Beschreibungen und aus vielerlei anderen Berichten drängt sich - für einen deutschen Papst erst recht - der Eindruck auf, dass man in Deutschland fast verlernt und vergessen hat, was Religion sein kann. In den öffentlichen Hauptmeinungen spiegelt sich häufig ein Erstaunen über Religion und Religiöse wider. Dabei ist Religion nicht nur eine Ansammlung von widervernünftigen Glaubenssätzen und nicht notwendigen Verhaltensgeboten. Sondern, so wird deutlich, eine das Leben des Menschen bestimmende Macht. Durch die Aufklärung, vielleicht noch mehr durch die von Naturwissenschaft und Technik, Wirtschaft und Kapital erzwungenen Lebensbedingungen mit ehernen Gesetzen wurde Religion in Deutschland in den Hintergrund gedrängt, als scheinbar nicht notwendig. Nun meldet sie sich zurück, als eine weitere Dimension des Menschen, die seinem Leben Ursprung und Ziel, einen festen Sinnrahmen und eine gültige Form zwischen Geburt und Tod geben kann. Als christliche - deshalb hat der Papst
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