Zwischen Rom und Mekka
»ultrakonservative«, vielleicht einfach nur besonders gläubige Katholiken. Wie zum Beispiel die damalige Präsidentin der italienischen Abgeordnetenkammer, Irene Pivetti. Sie beteten den Rosenkranz. Nur wenige hatten präsent, dass man den abendländisch-päpstlichen Seesieg bei Lepanto am 7. Oktober 1571 über die Türken dem Rosenkranzgebet zuschrieb. Vielleicht wollten die römischen Katholiken die christlichen Himmlischen über die Konkurrenz in »ihrer« Stadt trösten. Ein Kreuzzug wurde nicht daraus.
Roms Oberrabbiner in der Moschee
Im Gegenteil. Die Moschee dient auch als Stätte friedlicher Begegnung. Zum ersten Mal in der Geschichte empfing man hier offiziell einen Oberrabbiner in einer Moschee. Am 13. März 2006 wurden der Oberrabbiner Riccardo Di Segni und der Vorsteher der jüdischen Gemeinde Roms, Leone Pasermann, vom Leiter der Muslimischen Weltliga in Italien, Mario Sciajola, und vom Sekretär der Islamischen Gemeinde Roms, Abdellah Redouane, willkommen geheißen. Sciajola drückte seine Befriedigung darüber aus, dass diese Begegnung »im islamischen Kulturzentrum und nicht auf dem römischen Kapitol oder sonstwo stattfindet«.
»Wir müssen«, sagte Di Segni, »die Erfahrung des Dialogs machen. Es ist unsere Pflicht, daran mitzuwirken, die Bedingungen für den Frieden zu schaffen.«
Mit Bezug auf den aktuellen Streit über die zuerst in Dänemark veröffentlichten Mohammed-Karikaturen sagte Di Segni: »Der Kampf gegen Islamophobie und Antisemitismus muss parallel erfolgen und darf nicht von Beispielen und Wellen der Intoleranz erstickt werden.« Redouane bemerkte zum Karikaturenstreit: »Diese Episode hat uns sehr betrübt und verletzt, aber sie hat uns nicht das Vertrauen in die Menschen verlieren lassen.«
Der damalige römische Bürgermeister Veltroni nannte den Besuch des Oberrabbiners in der Moschee ein »historisches Ereignis«. Der Kurienkardinal Martino, Präsident des »Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden«, gab zu bedenken, ob nicht innerhalb des katholischen und christlichen Religionsunterrichts in Europa auch dem Koran größere Aufmerksamkeit zu schenken sei. Damit könnten die Achtung und das Verständnis für eine große Weltreligion gefördert werden. Am selben Tag empfing Papst Benedikt XVI. den ägyptischen Staatschef Mubarak. Aber das war reine Routine.
Die Taufe eines Muslims durch den Papst
Rom schien eine Stadt des Friedens. Auch als eine Empörungskampagne im Zeichen des Halbmonds hätte losgehen können. Nämlich als Benedikt XVI. in der Osternacht 2008 einen bekannten Muslim taufte. Die Konversion eines Muslims, der Abfall von der Lehre des Propheten Mohammed, ist nach dem Koran ein Vergehen und kann schwer bestraft werden. So rief die Taufe Verwunderung hervor, weil der Papst den Islam unnötig zu reizen schien. Es hätte Irritationen unter Muslimen hervorrufen und die in Rom einberufenen Gespräche zwischen katholischen und muslimischen Führern gefährden können. Es grummelte selbst unter den Dialogbereiten; nicht unberechtigte Anfragen wurden gestellt. Anlass war, dass Benedikt in der Osternacht traditionsgemäß Erwachsene tauft. An diesem Karsamstag, dem 22. März, war es jedoch ein besonderer: »Dr. Magdi Allam, ein bekannter Journalist ägyptischer Herkunft, persönlicher Vize-Chefredakteur der Zeitung ›Corriere della Sera‹«, wie das Presseamt am selben Abend in voller Erkenntnis der Brisanz dieser Konversion vom Islam zum Katholizismus mitteilte. Magdi Allam ist ein liberaler Muslim, der in der wichtigen italienischen Zeitung beständig vor dem Islam, dessen expansiven Absichten und antiliberalen Überzeugungen warnte. Deshalb stand er unter Polizeischutz. Tagelang diskutierte man in den italienischen Medien über Sinn und Ziel der päpstlichen Taufe.
Dass zur Religionsfreiheit auch die Freiheit gehört, die Religion zu wechseln, ist christliche und »westliche« Überzeugung. Dies legte dann der Leiter des vatikanischen Presseamtes, der Jesuitenpater Lombardi, dar. Kardinal Tauran, der eigentlich zuständige Präsident des »Rates für den Interreligiösen Dialog«, schwieg dazu. Denn dieser liberale Grundsatz - und seine lapidare Bekräftigung aus dem Vatikan noch mehr - gleicht, wie man inzwischen wissen könnte, für die Anhänger des Propheten Mohammed einer Kriegserklärung. Ihn als Muslim in die Tat umzusetzen, als Apostat, kann tödlich sein. Warum hat dann aber Benedikt diese Taufe vorgenommen, so fragte man,
wenn er damit
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