Zwischen Rom und Mekka
Ungeist atheistischer Ideologien, des kommunistischen Klassenkampfs, des nationalistischen Rassismus, teuflisch gegen jede menschliche und göttliche Religion geplant und exekutiert. Die Feinde der Kirche saßen in Moskau und Berlin, nicht in Mekka. Pius XII. wusste das. Er entschied sich dafür, seinen scharfen diplomatischen Verstand dafür einzusetzen, im Meer des Schreckens einige zu retten und nicht mit persönlicher Tapferkeit vor den Historikern groß dazustehen. Über die Rolle dieses Papstes während der Shoah und sein Verhältnis zu den Juden wird seit Jahrzehnten eine scharfe Kontroverse geführt. Soweit bisher erkennbar, sind dabei seine Beziehungen zum Islam und zu Muslimen ohne erwähnenswerte Bedeutung.
Eugenio Pacelli, 1876 geboren, war Diplomat, an der »Pontificia Accademia Ecclesiastica« ausgebildet. An dieser »Kirchlichen Akademie des Papstes«, in Rom hinter dem Pantheon an der Piazza della Minerva Nr. 74 gelegen, lernte er, Freundlichkeiten zwischen den Völkern und Mächtigen auszutauschen. Man erzählte in jenen Jahren aus gegebenem Anlass etwa folgende Geschichte: Pius X. (1903-1914) habe einen der höchsten Muslimführer, das geistliche Oberhaupt des Osmanischen Reiches, Scheich ul-Islam Jernaluddin, bei dessen Besuch im Vatikan auf sein kostbares Gewand hingewiesen und bemerkt: »Wissen Sie, woher dieser Stoff stammt? Er ist ein Geschenk Ihres Sultans an meinen Vorgänger zum Zeichen des herzlichen Einvernehmens zwischen dem Kalifen und dem Heiligen Stuhl.«
Der mittelitalienische Kirchenstaat unter der Oberhoheit des Papstes hatte sich eineinhalb Jahrtausende lang als besonderes religiös-politisches Gebilde und als älteste Institution des Abendlands der zivilisierten Menschheit eingeprägt. Dem zollten
jahrhundertelang auch die Herrscher nicht europäischer Reiche ihren Respekt und suchten durch kleine Geschenke, wie man sie auch in den Sammlungen der Vatikanischen Museen bewundern kann, Freundschaft zu gewinnen und zu erhalten.
Offene Fragen
Für die Päpste des 19. und des 20. Jahrhunderts und nun für Pius XII. wandelte sich nicht nur die eigene Welt, sondern auch die des Islam. Vorbei war zunächst die eigene staatliche Souveränität mit dem Aufgehen des Kirchenstaats im Königreich Italien 1870. Was sich als Segen erwies, weil es noch weiter das Politische vom Religiösen trennte und zur Konzentration auf die christliche Botschaft zwang. Andererseits waren auch vorbei die Jahrhunderte der muslimischen Expansion im Mittelalter, vorbei die Kreuzzüge nach dem Aufbruch der abendländischen Kräfte, vorbei auch die Bedrohungen durch muslimische Flotten im Mittelmeer rings um Italien. Die europäischen Mächte, Spanien und Portugal, England, Frankreich und die Niederlande vor allem, waren im Zeichen des politischen Kolonialismus fast überall auf der Welt siegreich. Ihnen folgten im Westen und Osten christliche Missionare, mit unterschiedlichem Erfolg. Mit verschwindend geringem in der islamischen Welt.
Es ist erstaunlich, dass man sich in der katholischen Kirche, zum Beispiel in den Missionswissenschaften, wenig Gedanken machte über den hartnäckigen Widerstand der Muslime gegen das Christentum. Positiv vom islamischen Standpunkt aus ausgedrückt: Muslime blieben ihrem Glauben, ihrer geistigen und sozialen Kultur treu, obwohl (oder weil) christliche Missionare unter dem Schutz der europäischen und amerikanischen Kolonialherren operieren konnten. Man müsste einmal die komplexen Fragen untersuchen, warum Indonesien fest muslimisch und die Philippinen treu katholisch wurden. Waren die Päpste - aber auch andere christliche Kirchen - im 19. und 20. Jahrhundert zu sehr mit anderem beschäftigt?
Politisch war die islamische Welt erst im Entstehen. Oder es blieb abzuwarten - wie Pacelli als Nuntius in Berlin und als
Kardinalstaatssekretär des Vatikans (1929-1939) aufmerksam beobachtete -, was nach dem Untergang des Osmanischen Reiches, der jahrhundertelangen Vormacht des Islam, aus dem »kranken Mann am Bosporus« werden würde. Aus der Türkei, der Kemal Atatürk in den Zwanzigerjahren eine dramatische Säkularisierung verschrieben hatte, eine Entislamisierung, deren Ausgang noch heute offen ist. Oder aus den anderen islamischen Gebieten im Nahen Osten, dem Mittleren Orient, in »Groß«-Indien und Fernostasien, die das britische Empire, Frankreich und das Königreich der Niederlande behielten oder an sich zogen.
1947 war ein Schicksalsjahr. Die politischen Teilungen auf dem
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