Zwischen Rom und Mekka
mehr kontrollierbaren Verlauf genommen. Eigentlich hatten die Kurienkardinäle das Konzil nach wenigen Wochen mit schönen traditionellen Glaubensformeln abschließen wollen. Aber nun sollten der ersten Session von zwei Monaten drei weitere Sitzungsperioden jeweils im Herbst folgen. So musste Paul VI. das Konzil weiterführen und eine angefangene Revolution zu einem guten Ende ohne Brüche und Spaltungen bringen. Deshalb ist Paul VI. nicht vom Konzil und seinen Ergebnissen zu trennen.
Für die einen schien die Verwirrung riesengroß, für die anderen die Offenheit wunderschön. Im Verhältnis zur »Welt«, zur modernen Gesellschaft hatte der freundliche Roncalli-Papst bewiesen, dass er keine Berührungsängste kannte. Da knüpfte Paul VI. an. Er wollte das Heilige Land des Jesus Christus mit frommem Sinn aufsuchen, die wiedergefundene Gemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras demonstrieren und fand sich im Januar 1964 in Jerusalem, im damals jordanischen Teil, mitten unter Muslimen wieder.
Das Bild wurde symbolisch. Der zarte, zerbrechlich wirkende Montini-Papst folgte in Jerusalem der »Via Crucis«, dem Kreuzweg Jesu Christi, und schien von der Menge schier erdrückt zu werden. Er hatte seine persönlichen Berührungsängste überwunden und sich als Papst dem anderen, dem und den Fremden
ausgesetzt, den muslimischen Jordaniern und jüdischen Israelis, hatte den orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel umarmt. Zu Juden, Muslimen und anderen Christen hatten die Päpste jahrhundertelang das Trennende gepflegt. Gut, Trennung und Distanz vielleicht auf Gegenseitigkeit, aber eine von weltpolitischen Ausmaßen. Und nun diese Nähe. Sensationell!
Von den neun internationalen Reisen, die Paul VI. unternahm, führten fünf in Staaten mit Muslimen: ins Heilige Land nach Jordanien (und Israel, 1964); nach Beirut im Libanon auf dem Weg nach Indien, zu Katholiken auf dem Eucharistischen Weltkongress in Bombay (1964), in einem Meer von Hindus und einer 60-Millionen-Minderheit von Muslimen; in die Türkei (zum Ökumenischen Patriarchen, 1967); nach Uganda (1969); und auf dem Weg nach Australien über Teheran in Iran, Dakka im damaligen Pakistan auf die Philippinen, die Samoa-Inseln, Indonesien, Hongkong und Sri Lanka (1970). Ein ausdrückliches Eingehen auf die religiösen Vertreter der Muslime dort, ein längeres Treffen mit ihnen wurde als nicht notwendig angesehen, auch nicht erwünscht und erbeten.
Es galten in der katholischen Führung jene untadeligen Formulierungen, die auf dem Konzil gelehrte Theologen und Experten für geschliffene Texte für die Muslime gefunden und als 3. Kapitel in die »Erklärung über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen« aufgenommen hatten. Die »Erklärung« mit dem Titel »Nostra Aetate« (»In unserer Zeit«, nach den Anfangsworten im Lateinischen), eine der kürzesten des Konzils, wurde am 28. Oktober 1965 mit 2221 Ja- gegen 88 Nein-Stimmen angenommen und am selben Tag feierlich verkündet:
»Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch
als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten.
Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslimen kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseitezulassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen.«
Geburtsfehler, aber auch Geburtshelfer dieser schönen Sätze war, dass die Bischofsversammlung auf Anordnung Johannes’ XXIII. etwas Gutes über die Juden, genauer, etwas gegen den Antisemitismus beschließen sollte. Davon ließen sich die Bischöfe auch durch
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