Zwischen Rom und Mekka
vorbereitet durch das Zweite Vatikanische Konzil, davon nichts zu befürchten hatte. Im Gegenteil, vom freien Wettbewerb um freie Seelen konnte sie nur Vorteile erwarten. Auch für das Verhältnis zum Islam erhoffte man sich im Vatikan Entlastung dadurch. Auch der Islam sollte eingebunden werden in die Gemeinschaft der Religiösen.
Deshalb lud Johannes Paul II. zu einem »Welttag des Gebets um Frieden«, zu einem Tag der »Waffenruhe Gottes« nach Assisi
ein, am 27. Oktober 1986. Ungeachtet aller Unterschiede zwischen den Konfessionen und Religionen wollte das Oberhaupt der katholischen Kirche damit einen Anfang setzen. Und ungeachtet aller Vorbehalte gegen das Papsttum waren Christen verschiedener Konfessionen, waren Juden, Bahais und Buddhisten, Dschainas und Hindus, Muslime und Parsen, Schintoisten und Sikhs, die Anhänger der traditionellen Religionen aus Amerika und Afrika nach Assisi gekommen, von weit her, geografisch und geistig. Nicht nach Rom, in die Kapitale des Papstes, sondern in jenes Städtchen am Berghang im mittelitalienischen Umbrien, in dem der allseits verehrte heilige Franziskus im Mittelalter die Nachfolge des Jesus Christus ganz ernst nahm und seitdem als menschliches Symbol für Frieden, Versöhnung und Brüderlichkeit, als persönliches Beispiel für Sanftmut und Demut verehrt wird. Deshalb wollten die Frauen und Männer verschiedener Religionen und Kulturen beim Gebet um Frieden dabei sein.
Es war eine bunte Gesellschaft, die sich wohl zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit in dieser Besetzung versammelt hatte. In einer Reihe standen sie vor der Kirche Santa Maria degli Angeli, »Sankt Marien zu den Engeln«, in der Ebene unterhalb des Städtchens, von weißer und schwarzer, gelber und brauner Hautfarbe. Sie kamen aus allen Teilen der Welt; das sah man auf den ersten Blick. Und auf den zweiten, dass an ihrem teils farbigen, teils ernst-düsteren Äußeren nichts zufällig war, dass vielmehr jahrhundertealte Traditionen alles genau bestimmt hatten: die Kopfbedeckung und die Barttracht, Überwurf und Umhang, hier in Gelb, dort in Braun, in Schwarz und Violett, Weiß und Blau. Darauf waren sie stolz, und ihre Eigenart wollten sie alle eifersüchtig hüten. Die Männer und die wenigen Frauen waren führende Vertreter von christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sowie der großen Weltreligionen rund um den Erdball. Häuptlinge aus Amerika mit ihrem prächtigen Federschmuck legten Zeugnis für den großen Manitu ab, die Schwarzafrikaner kündeten mit ihren regenbogenfarbenen Gewändern von der göttlichen Natur, Asiaten brachten Kunde vom Wachstum des Einzelnen ins Unendliche,
Muslime verströmten strengen Ernst. Die Europäer verwiesen mit Anzug und korrektem Talar auf Ordnung auch im Religiösen. Die Menschen der Welt sind bunt und eigensinnig und ihre Religionen auch.
Was würde aus diesem Gebetstreffen in Assisi mit dem Papst in der Mitte werden?
Kapitel 15
Johannes Paul II. in Indien und Indonesien - Der notwendige Dialog der Religionen
Der theoretisch-theologische Dialog der Religiösen, der Kirche mit den Weltreligionen war eine Sache; das andere waren die praktisch-politischen Überlegungen der vatikanischen Diplomatie und des Papstes als Weltpolitiker.
Seit Jahrhunderten sind Papst und Kurie daran gewöhnt, den »Dialog«, oder sagen wir einfach: die Beziehungen zu anderen Kirchen, Religionen oder Staaten nicht eindimensional-bilateral zu sehen oder zu betreiben, sondern gleichsam mit mehreren Bällen zu spielen. Wie oft habe ich in den kunstreichen Räumen der vatikanischen Politiker mitbekommen, wie Beschwerden weitergereicht wurden. Die Orthodoxen hätten sich, so wurde mir bedeutet, übereinander oder gemeinsam über die Sittenlosigkeit der Anglikaner beklagt, die Hindus über die Muslime, die Saudis über die Iraner. Den vatikanischen Diplomaten wurde bestätigt, dass nicht nur die Kirche Probleme mit der Moschee habe, sondern die Muslime untereinander noch mehr, ihre Politiker mit den Religionsführern und diese wiederum untereinander.
Doch darin sind Päpste seit alters Meister der Politik: Wenn andere sich streiten, ist Rom redlicher, doch nicht uninteressierter Vermittler und spricht zuweilen das entscheidende Wort, nicht ohne dadurch an Ansehen gewonnen zu haben.
Deshalb entschied Johannes Paul II. in den Achtzigerjahren, er werde in jenen beiden Großstaaten um den Dialog der Religionen werben, die von ihrer Staatsräson her auf die Friedlichkeit
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