Zwischen Rom und Mekka
der religiösen Gruppen angewiesen sind: Indien und Indonesien.
Das leuchtet inzwischen jedem ein. Anfang der Achtzigerjahre - zwar schon nach der Islamischen Revolution im Iran, doch noch lange vor dem weltweiten Erwachen des politischen Islam und den entsprechenden Gegenreaktionen - war diese Einsicht neu, doch für Johannes Paul II. fester Bestandteil des Reisegepäcks. Indien und Indonesien galten ihm wegen ihrer Größe, noch mehr wegen ihrer multireligiösen Brisanz als Schlüsselländer für die Vermeidung des »Clash« der Religionen.
Indien - Hindus, Muslime, Christen
So scheute sich Johannes Paul II. nicht, im Februar 1986 Indien zu besuchen, ein riesiges Land, dessen Bevölkerungszahl damals schon auf eine Milliarde zuging, mit einer deutlichen Mehrheit von Hindus, einer beträchtlichen Minderheit von Muslimen und einer kleinen, hier verschwindenden, dort sichtbaren Minderheit von Christen. Eine gefährliche Mischung, die sich immer wieder entzündet. Eine Verpflichtung zum Dialog! Für die Hindus sind die Minderheiten zu groß, um religiösem Fanatismus ohne eigenen Schaden die Zügel schießen zu lassen. Die Muslime erfahren, in der Minderheit zu sein und jene Freiheit zu benötigen, die sie als Mehrheit oft anderen versagen. So konnte der Papst in der Hauptstadt Delhi zwar nicht auf die Anteilnahme der breiten Öffentlichkeit setzen, doch sehr wohl auf die Beachtung durch die politischen und religiösen Führer und die einflussreichen Schichten.
Es schien mir bewundernswert, wie Johannes Paul II., damals längst ein Superstar und, wichtiger, eine weltweit geachtete moralische Autorität, »in der Fremde« seine weltpolitische Einsicht vom Dialog der Religionen - unter Führung der katholischen Kirche und des Papsttums; dies hinter vorgehaltener Hand - beharrlich umsetzte. Das war eindrucksvoll und ungemein konsequent.
Von Anfang an wies der Papst 1986 in Indien auf das zweifache Ziel seiner Reise hin. Als Oberhaupt der katholischen Kirche komme er zu den Katholiken Indiens, auch wenn diese nur eine verschwindende Minderheit unter der Bevölkerung
bildeten. Als Führer einer Weltreligion wolle er jedoch auch zu allen Indern sprechen, um hervorzuheben, was alle Religionen, auch Hinduismus und Islam, in ihrem Glauben und in ihrer Achtung vor den Menschen miteinander verbinde. Diesen Doppelzweck seiner Reise legte Johannes Paul II. dem indischen Staatspräsidenten Giani Zail Singh und Premierminister Rajiv Gandhi dar. Beide waren höchst erfreut. Wenn man so will, wurde das Oberhaupt der Kirche zum Anwalt der muslimischen Minderheit und des Staatsfriedens in Indien.
Programm der Gewaltlosigkeit
Johannes Paul II. ging Schritt für Schritt vor. Nach der Begrüßung auf dem Flughafen von Delhi am Samstag, dem 1. Februar 1986, eilte er zum Gebet in die katholische Kathedrale, doch fast noch schneller zum Grab des legendären Staatsgründers Mahatma Gandhi, bei dem er in einem Gebet sein Friedensprogramm der Gewaltlosigkeit allen Indern ohne Widerspruch vorstellen konnte; erst danach ging es zur feierlichen Messe ins Indira-Gandhi-Stadion. Und weiter. Sonntag: Treffen mit Vertretern verschiedener religiöser und kultureller Traditionen, wieder im Indira-Gandhi-Stadion von Delhi. Montag: Rede vor Vertretern anderer Religionen im Kolleg des heiligen Franz Xaver in Kalkutta. Mittwoch: Treffen mit Vertretern nicht christlicher Religionen in der Rajaji Hall von Madras. Dahinter stand die Idee, einen Dialog mit und zwischen den Religionen zu führen und anzuführen.
So sagte Johannes Paul II. schon in der Begrüßungsrede, er komme als »Diener der Einheit und des Friedens«:
»In der heutigen Welt müssen alle Religionen für die Sache der Menschheit zusammenarbeiten, und dies aus der Überzeugung von der geistlichen Natur des Menschen. Als Hindus, Muslime, Sikhs, Buddhisten, Dschainas, Parsen und Christen sind wir brüderlich vereint, um dies durch unsere Gegenwart zu bezeugen. Indem wir die Wahrheit vom Menschen verkünden, bekräftigen wir, dass die Suche des Menschen nach zeitlichem und sozialem
Wohlstand und voller menschlicher Würde der tiefen Bestimmung seiner geistlichen Natur entspricht. Diese Zusammenarbeit zwischen den Religionen muss auch bestimmt sein von dem Bemühen, Hunger, Armut, Unwissenheit, Verfolgung, Diskriminierung und jede Form der Knechtung des menschlichen Geistes zu beseitigen.«
Diese päpstliche Mahnung konnte nicht schaden, nicht nur angesichts der starken sozialen
Weitere Kostenlose Bücher