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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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das erste Mal, dass er über den Islam sprach. Sofort nach seinem Amtsantritt, am 25. April 2005, erkannte der neue Papst die Bemühungen der Muslime im Dialog mit Christen an, »sowohl auf lokaler als auch auf internationaler Ebene«, und sprach von »Brücken der Freundschaft mit den Anhängern aller Religionen«. Während des Weltjugendtags in Köln im August 2005 bestand Benedikt auf einem Treffen mit »Vertretern einiger muslimischer Gemeinden« und trug ihnen seine Sorgen über Gewalt und Religion, Terrorismus und religiösen Extremismus vor.
    Aber »Regensburg« war etwas ganz anderes.
    Mir erscheint es auch aus zeitlicher Distanz noch immer wie ein Gewitter. Mit grauen Wolken, die schon seit einiger Zeit am Himmel über Kirchen und Moscheen aufgezogen waren, sich bedrohlich zwischen Christen und Muslimen geballt hatten, immer dunkler und drückender wurden, bis ein greller Blitz das Gewölk von oben bis unten durchzuckte; eine ungewisse Stille dehnte sich, bis fürchterliche Donnerschläge und gewaltige Regengüsse alle erschreckten; danach dauerte es einige Zeit, bis sich dieses Unwetter verzogen hatte und wieder normales Wetter mit seinen Unwägbarkeiten herrschte.
    Doch am 12. September 2006 - der deutsche Theologieprofessor
Joseph Ratzinger war nicht einmal eineinhalb Jahre auf der Cathedra, dem Lehrstuhl Petri in Rom -, einem Dienstag, schien allen zunächst die Sonne von einem heiteren weißblauen bayerischen Himmel. Es war der vierte Tag des Besuches des Papstes in seiner Heimat; und alles war bis dahin sehr angenehm für den Gast und die Besuchten verlaufen. Wenn schon die Deutschen insgesamt meinten: »Wir sind Papst«, so galt das noch mehr für die Bayern. Benedikt war einer der Ihren. So feierten sie den Papst und sich selbst. Am Vormittag verfolgte ich in aller Gelassenheit, wie Benedikt auf dem Islinger Feld am Südrand von Regensburg vor gut 200 000 Andächtigen einen festlichen, würdigen Gottesdienst feierte. Nicht unbedingt eine Sensation für einen Journalisten.

Der erste Stolperstein
    Beim schnellen Durchlesen des Manuskripts der schönen, ruhigen, nicht zu langen Predigt fand ich einen einzigen journalistischen Stolperstein. Etwas, worüber man nicht so schnell hinwegglitt, vielleicht einen Haken, woran man etwas festmachen konnte. So etwas brauchen Journalisten, so etwas will das Publikum, damit es aufmerkt. Benedikt ermutigte, ermahnte die Christen, so wörtlich, die »Vernunft Gottes in der Welt ohne Angst zu leben«. Vernunft Gottes? Ohne Angst? Was sollte das? Darüber hätte ich als politischer Journalist gern mehr gehört. Aber es ging offenbar um das christliche Glaubensbekenntnis und des Papst-Theologen Deutung dazu. Wohl nicht weiter der Rede wert. Schien es. Doch Benedikt sollte darauf zurückkommen.
    Niemand fand an jenem Tag etwas Besonderes oder dachte sich gar etwas Arges dabei, dass der Papst eine Vorlesung in der Aula Magna der Regensburger Universität halten wollte. Vorlesungen liebte Joseph Ratzinger sein Leben lang, als Student und als Professor, auch als Erzbischof von München (1977-1981) und noch als Kardinalpräfekt der vatikanischen Glaubenskongregation (1981-2005). In Regensburg hatte er ein »Heimspiel«. Hierher, in die bayerische Gefühls- und Glaubenswelt,
hatte sich der Professor Dr. theol. Ratzinger 1969 zurückgezogen, als ihm das Aufbegehren der Studenten in Tübingen, dem traditionsreichen Gelehrtenstädtchen südlich von Stuttgart, zu unruhig, zu irrational-dumm, wohl auch die Willfährigkeit mancher Professorenkollegen gegenüber modischen Freiheitsforderungen zu töricht wurden. Nachzulesen in seiner Autobiografie.

Vertraute Geräusche und Gerüche
    Hier in Regensburg war Joseph Ratzinger Theologieprofessor gewesen. Acht Jahre lang, von 1969 bis 1977. (Das vatikanische Presseamt verkürzte bei der offiziellen Mitteilung diese Zeit in einem seiner seltenen Irrtümer auf zwei Jahre. War das schon ein Hinweis darauf, dass bei der Vorbereitung nicht alles perfekt gelaufen war?) Er lehrte Dogmatik und Dogmengeschichte, die Zentralfächer der katholischen Glaubenslehre. Und er dachte so vor sich hin. Über Gott und die moderne Gesellschaft, die Kirche und das andere. Klug, wie mir bei einem Besuch im Mai 1976 in seinem betonkahlen Büro aufgefallen war, klüger als andere. In Deutschland wurde in jenen Jahren unter den Katholiken vor allem lebhaft diskutiert. »Dialog« war ein Zauberwort. Von allen für alle. So auf der Würzburger Synode von 1971 bis

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