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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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Aber nein. Denn für die kürzere Zusammenfassung einer bedeutenden Rede braucht man eher mehr Zeit, als wenn man länger ausholen kann. Zudem hatte ich noch über die Pontifikalmesse am Vormittag mit der schönen Predigt des Papstes zu berichten und über die Ökumenische Vesper im Dom zu Regensburg am Abend mit den Vertretern von verschiedenen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, der Lutherischen und der Orthodoxen Kirche Bayerns vor allem. Die Worte, die der Papst bei solchen Anlässen über die Einheit der Christen spricht, finden gerade
in dem konfessionell geteilten Deutschland große Aufmerksamkeit.
    Ich hatte jedoch noch mehr aus dem Vatikan gehört. Der Papst wolle auch über das Verhältnis zwischen Religion und Gewalt sprechen und dabei nicht nur allgemeine Floskeln verwenden, sondern direkt die muslimische Weltgemeinde ansprechen. Zur Sache! Das schien nun besonders sensibel. Denn seit Jahren schon beobachtete man im Vatikan mit wachsender Sorge die muslimische Welt. Es konnte die Päpste und Kardinäle nicht gleichgültig lassen, wie sich der Islam entwickelte.
    Viele Politiker und Zeithistoriker im Vatikan hatten in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts damit gerechnet, dass der Islam als nach europäischen Maßstäben nichtmoderne, unaufgeklärte Religion dahinschwächeln würde. Dafür gab es eine Reihe von Anzeichen in dem Ländergürtel zwischen Marokko und Indonesien. Als motivierende Kraft schien sich der Islam erschöpft zu haben, meinte man meist in der westlichen Welt. Zudem wurde der Antagonismus zwischen Christen und Muslimen im Kalten Krieg durch den Gegensatz der beiden Machtblöcke, der Vereinigten Staaten von Amerika und dem Sowjetreich, verdeckt oder wenig wahrgenommen. Dahinschwinden wurde dem Islam prophezeit. Auf den Aussterbeetat, hätte Friedrich II. von Preußen gesagt.
    Irrtum. Das Gegenteil trat ein. Die politischen Unabhängigkeitsbestrebungen und Befreiungsbewegungen in den nacheinander souverän gewordenen Staaten zwischen Atlantik und Pazifik begünstigten nicht die Religion der ehemaligen Kolonialherren, also das Christentum, sondern den Islam - mit Ausnahme der Riesenreiche Indien und China, die andere religiöse und kulturelle Traditionen haben. Der Islam erwies sich auch gegenüber den christlichen Missionsversuchen im 19. und 20. Jahrhundert als äußerst resistent. Der Gegensatz zwischen Israel und den Arabern mit dem Palästinenserkonflikt und drei Kriegen sowie der plötzliche Superreichtum der arabisch-muslimischen Erdölstaaten festigten den Islam als identitätsstiftende Kraft.

Islam und Extremismus
    Zugleich wuchsen zur Beunruhigung der vatikanischen Weltbeobachter in der muslimischen Welt die Versuchungen zum Extremismus. Unter Palästinensern wurde der Terrorismus zur gebilligten Notwehr der Unterdrückten gegen die Überlegenen, gegen den Staat Israel, die »Zionisten«, die Juden, und ihre Sympathisanten, die USA, den »Westen«. Gewaltakte und Terroranschläge aus dem Geist eines zugespitzten muslimischen Fundamentalismus schienen den Westen zu ängstigen und die Völker des Islam zusammenzuführen. Terroristische Gewalt von Muslimen, so hieß es in Kairo oder Mekka, würde der Botschaft des Propheten Respekt verschaffen und dem Islam weltweit mehr Macht, und sei es durch Furcht, verleihen.
    Die Terrorattacken am 11. September 2001 in New York und Washington bildeten einen Höhepunkt dieser klandestinen Kriegführung. Der spektakuläre Einsturz der Zwillingstürme des World Trade Center in New York wurde zwischen Rabat und Jakarta von den Massen mehr bejubelt, als dass man den Tod Tausender von unschuldigen Menschen beklagte. Der internationale Terrorismus war muslimisch gefärbt. Immer stärker trat die Verbindung zwischen mörderischen Anschlägen und einem Extremismus aus dem Geist des Islam in den Vordergrund der öffentlichen Weltmeinung.

Das Erbe des Vorgängers
    Dass sich alles ein wenig komplizierter verhielt, war mir im Vatikan oft bedeutet worden. Die Leute im Westen ängstigten sich, zweifellos. Doch mehr als dem Westen machten die muslimischen Extremisten den Regierungen und den Völkern in den Staaten des Islam selbst zu schaffen. Der erste Kriegszug der USA gegen den Irak (1991) war durch den Überfall Saddam Husseins auf Kuwait verursacht, der zweite, der in eine dauerhafte Besetzung überging, durch törichte Erklärungen des Diktators und zweifelhafte der amerikanischen Regierung. Gegen beide hatte

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