Zwischen Sehnsucht und Verlangen
wie ein räudiger Kater. In der einen Hand hielt er eine Flasche Wein und in der anderen eine Schachtel mit Keksen, die hoffentlich dazu beitragen würden, das Eis zwischen ihm und den Kindern zum Schmelzen zu bringen.
Um zu testen, ob die Tür auch tatsächlich verschlossen war, drückte er die Klinke herunter und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass sie sich nicht öffnen ließ. Einen Moment später klopfte er laut, woraufhin kurze Zeit später Regan den Kopf durch den schmalen Türspalt, den die Sicherheitskette ließ, steckte.
„So weit, so gut, aber du hättest erst fragen sollen, wer draußen steht”, merkte Rafe tadelnd an.
„Ich habe dich schon vom Fenster aus gesehen.” Nachdem sie ihn eingelassen hatte, warf sie einen Blick auf seine Mitbringsel. „Kein Flieder, Rafe?”, erkundigte sie sich schmunzelnd.
„Keine Chance.” Obwohl er sie rasend gern geküsst hätte, nahm er angesichts der großen grauen Augen, die ernst auf ihm ruhten und dem kleinen Mädchen in der Sofaecke gehörten, davon Abstand. „Sieht aus, als hättest du ein Mäuschen bei dir einquartiert.”
Regan lächelte. „Sie ist zwar ebenso still wie ein Mäuschen, aber viel hübscher. Emma, das ist Mr. MacKade. Du hast ihn vor Kurzem bei Ed’s schon mal getroffen, erinnerst du dich?”
Während es ihn wachsam beäugte, rutschte das kleine Mädchen von der Couch herunter, schoss schnell wie der Blitz zu Regan hinüber und versteckte sich hinter ihrem Rock. Von dort aus lugte es neugierig mit einem Auge zu ihm herüber.
„Ich habe deine Mama schon gekannt, als sie so alt war wie du jetzt”, bemühte sich Rafe, ein Gespräch in Gang zu bringen.
Emma klammerte sich an Regans Beine und spähte zu ihm herauf.
Obwohl ihm bewusst war, dass es eine schamlose Bestechung war, schüttelte er die Keksdose. „Wil st du ein Plätzchen, Honey?”
Sein Versuch, Freundschaft zu schließen, brachte ihm von der Kleinen immerhin ein winziges Lächeln ein, doch Regan vereitelte seine Bemühungen, indem sie ihm die Dose aus der Hand nahm. „Nicht vor dem Essen.”
„Spielverderber. Aber das Essen riecht gut.”
„Cassie hat Hähnchen mit Klößen gemacht. Komm, Emma, wir bringen die Plätzchen in die Küche.”
Sich mit einer Hand an Regans Rock festklammernd, folgte ihr das Mädchen in die Küche, wobei es Rafe unablässig im Auge behielt.
Rafe schloss sich den beiden an. Bei ihrem Eintreten sah Cassie, die am Herd stand, auf und lächelte. „Hi, Rafe.”
Er trat neben sie und streifte mit den Lippen ihre Wange. „Hallo, wie geht’s?”
„Danke, gut.” Sie legte eine Hand auf die Schulter des Jungen, der neben ihr stand. „Connor, das ist Mr. MacKade, erinnerst du dich?”
„Nett, dich wiederzusehen, Connor.” Rafe streckte ihm die Hand hin, die der Junge zögernd nahm. „Schätze, du bist in der dritten Klasse, stimmt’s?
Oder schon in der vierten?”
„In der dritten, Sir.”
Rafe hob eine Augenbraue und reichte Regan die Weinflasche. „Ist Miss Witt immer noch an der Schule?” „Ja, Sir.”
„Wir haben sie immer Miss Dimwit, Fräulein Dummkopf, genannt. Wette, das macht ihr auch, habe ich recht?” Er pickte sich ein Stückchen Mohrrübe aus einer Salatschüssel, die auf dem Tisch stand.
„Ja, Sir”, murmelte Connor und warf dabei seiner Mutter einen unsicheren Blick zu. „Manchmal.” Nun nahm er seinen ganzen Mut zusammen und holte tief Luft. „Sie renovieren das Barlow-Haus.”
„Stimmt.”
„Aber dort spukt’s doch.”
Rafe nahm sich eine Mohrrübe, biss hinein und grinste. „Darauf kannst du wetten.”
„Ich weiß alles über die Schlacht und so”, platzte Connor nun heraus.
„Es war der blutigste Tag im gesamten Bürgerkrieg, und keiner hat wirklich gewonnen, weil …” Beschämt brach er ab. Deshalb, dachte er, nennen dich manche in der Schule Spinner.
„Weil es keiner Seite gelungen ist, den entscheidenden Schlag zu landen”, beendete Rafe den Satz für ihn. „Wenn du Lust hast, komm doch mal bei mir vorbei. Ich könnte jemanden, der über die Schlacht genau Bescheid weiß, gut brauchen.”
„Ich habe ein Buch. Mit Bildern.”
„Ach ja?” Rafe nahm das gefüllte Weinglas, das Regan ihm hin hielt. „Zeigst du es mir?”
Damit war das Eis gebrochen, und sie begannen angeregt über die Schlacht von Bumside Bridge zu debattieren. Plötzlich hatte Rafe einen hellwachen, interessierten Achtjährigen vor sich, der alle Scheu verloren hatte.
Das Mädchen, eine Miniaturausgabe
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